Full House: Liebeserklärung an die Chaosfamilie (German Edition)
zwei.
»Beate …« Ich nenne immer ihren vollen Namen, um meinen Worten Nachdruck zu verleihen. »Beate, ich bittedich, über meinen Vorschlag nachzudenken. Das ist ein kleines, schickes Hotel, und ganz in der Nähe liegt Cannes. Da kann man richtig toll shoppen gehen.« Ich gebe zu, besonders selbstbewusst und bestimmt klang das jetzt nicht, und der Nachdruck fehlte komplett, aber ich spüre instinktiv, dass das Wort Shoppen, zumindest bei meiner Tochter Clara, einige Glückshormone freisetzt. Jetzt gilt es nur noch, Bea zu überzeugen, aber das wird nicht einfach werden. Dazu muss ich erklären, dass Beate seit der Geburt unseres Sohnes leicht zugenommen hat (so um die acht Kilo) und ein Urlaub im Süden immer persönliche Dramen bei ihr auslöst.
Wärme bedeutet Sonnenallergie und Mückenstiche (»Guck nicht, ich sehe so hässlich aus!«).
Wärme bedeutet auch sexy Tops (»Guck nicht, meine Oberarme schlappern!«).
Sonne bedeutet Bikini oder Badeanzug, und das bedeutet vor Antritt der Reise strenge Diät (»Guck nicht, ich bin so fett!«).
Diät bedeutet miese Laune und nur sporadischen Sex, der dann in völliger Dunkelheit und bei lauter Musik stattfindet. Aus welchem Grund in völliger Dunkelheit?, frage ich mich nach fünfzehn Jahren immer noch. Dabei sehe ich Beate so gerne an. Sie ist in meinen Augen die verführerischste Frau der Welt. Mir ist klar, dass da noch einige Überzeugungsarbeit auf mich zukommt.
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Tagebucheintrag: Freitag, 10. Mai,
18:47 Uhr – Schlafzimmer
Ich habe Bea heute, als ich von der Arbeit nach Hause kam, mit einem riesigen Blumenstrauß und Reisekatalogen überrascht. Nein, ehrlich gesagt, hatte ich die Prospekte erst einmal versteckt. Man mag ja nicht gleich so mit der Tür ins Haus fallen.
Ein Risiko, da Frauen oft misstrauisch werden, wenn ihre Männer scheinbar ohne Grund Blumen mitbringen. Als hätten wir ein schlechtes Gewissen oder wollten etwas verbergen … (so wie ich die Ferienkataloge).
Dieses Mal lief aber alles anders. Beate nahm die Blumen, küsste mich innig, legte Musik auf und löschte Sekunden später das Licht. Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet, aber das Angebot habe ich gerne angenommen. Blöd war nur, dass ich in der Dunkelheit völlig orientierungslos in Richtung Bett stolperte, stürzte und mir den Daumen umknickte. Das war’s dann. Die Schmerzen waren unerträglich, die Musik zu laut, und der Zauber der Spontaneität war futsch. Aber nicht lange. Beate wäre nicht Beate, wenn sie nicht im Stande wäre, meine Schmerzen zu lindern …
Und dennoch kam es anders.
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Jeder, der Kinder hat, kennt das: Man kommt immer seltener zu den schönen Dingen zwischen Mann und Frau, wenn Sie wissen, was ich meine.
Entweder, die Kleinen halten einen so lange auf Trab, dass man praktisch aus der Senkrechten direkt ins Bett kippt und noch im Fallen ohnmächtig wird. Oder sie stehen plötzlich im Zimmer, wenn man gerade ausprobiert, ob man diese gewissen Dinge noch so richtig draufhat.
»Was machst du da mit Papa, Mama?«
»Ryan? Was machst du denn hier? Ich, äh … ich …«
»Ich habe Papa nur ein paar Bauchübungen gezeigt. Er glaubt ja, dass er zu dick ist.«
»Aber warum musst du dann auf ihm drauf sitzen?«
»Äh … das nennt man Bauchmuskeltraining.«
»Dann brauchst du Licht, Papa.«
»Halt, Ryan!« Panisch versuche ich die Bettdecke zu entwirren, um uns zuzudecken, was mir nur halbwegs gelingt. »Mach das Licht sofort wieder aus!«
»Iiii, du hast ja gar nichts an!«
Endlich. Die Bettdecke.
»Papa ist warm, Schatz.«
»Sieht man. Er hat geschwitzt.«
»Nun geh wieder schlafen, ja?«
»Ich kann aber nicht schlafen.«
»Dann trink noch einen Schluck Wasser. Das hilft.«
»Ich hab keine Lust, runter in die Küche zu gehen.«
»Dann trink vom Wasserhahn im Bad, Ryan.« Mein Ton wird rauer.
Ryan sieht uns schweigend an und überlegt. Kein gutes Zeichen, denn dann kommt meist ein Hammer.
»Diese Bauchübungen sind blöd und bringen nix, wenn Mama deinen Bauch immer wieder so komisch aufbläst. Außerdem tut das weh, weil du dabei immer so stöhnst.«
Weg ist er. Bea und ich liegen in Schockstarre.
»O Gott …«, flüstert Beate. »Was machen wir jetzt?«
»Weiter?«
»Spinnst du? Unser Sohn hat ein Trauma, und du denkst nur an das eine. Typisch!«
»Trauma? Ryan hat doch kein Trauma. Er weiß doch gar nicht, um was es geht. So, und jetzt mach das Licht wieder aus und zeig mir noch mal diese Bauchübungen.«
Kichernd steht
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