Fummelbunker
aufzuklären.
Ansmann schnaubte. »Das dachte ich mir schon. Hat sie dir nicht die Akte entzogen? Bist du nicht im 11er?«
»Es reicht jetzt!«, ging ich schließlich dazwischen und fuhr als Erstes Ansmann an. »Tun Sie gefälligst was! Finden Sie Gregor oder verhaften Sie irgendjemanden, der auf die Autos fremder Leute ballert. Und du«, ich drückte Alexander meine Krücken in die Hand und zog ihn hinkend von Ansmann fort, »du hältst mir gefälligst Eddie vom Leib.«
Wir sahen zu ihm herüber. Seine Zornesfalten querten mittlerweile senkrecht die Stirn. »Pack sie ein«, befahl er Alexander. »Ich will euch auf der Wache sehen. Alle beide!« Damit machte er kehrt und ging ins Haus zurück.
Ich wischte mir den Regen von der Stirn. Der Verband um meine Wade war mittlerweile vom Regen durchgeweicht, doch die heißen Nadelstiche hatten über Nacht etwas nachgelassen. Übrig geblieben war das dumpfe Klopfen eines Holzspatels und ich überlegte, ob ich Auto fahren konnte. Ich hinkte zu dem Laguna, riss die Fahrertür auf und ließ mich in den Velourssitz fallen. Der Schlüssel steckte.
»Was zum Teufel machst du da?«, zischte Alexander mir in den Nacken, die Krücken immer noch unter den Arm geklemmt.
»Ich muss Gregor finden.«
»Bist du noch ganz bei Trost? Du kannst kaum laufen. Und ganz bestimmt wirst du nicht mein Auto fahren.«
»Du verstehst das nicht!«, brüllte ich ihn an, von Ansmanns kleinem Ehe-Hinweis immer noch aufgeladen. »Das ist alles meine Schuld. Ich hätte niemals mit dir sprechen dürfen. Er hat mir vertraut. Er dachte, ich würde stillhalten.« Noch während ich das sagte, liefen mir Tränen die Wangen hinunter. Ich wischte sie mit dem Handrücken weg mit der Konsequenz, dass sich die Schminke quer über mein Gesicht verteilte.
»Sprechen worüber? Du hast mir doch gar nichts über ihn erzählt. Warte!«
Ich knallte die Tür zu und verriegelte sie. Alexander rüttelte am Türgriff und klopfte gegen die Scheibe, doch ich ignorierte es, ließ die Zündung an und fuhr mit einem schreienden Schmerz im Bein die Straße hinunter. Ich rief Metin auf dem Handy an. Die Venen in meinen Händen pulsierten und ich zitterte. »Wir müssen ihn finden!«, schrie ich in den Hörer.
»Willst du mich verscheißern? Sein Bruder ist bei der Luftwaffe. Mit viel Glück ist er schon längst in Algerien.«
Ich knurrte in den Hörer, aber er blieb beharrlich.
»Gegenüber dir hat er drei entscheidende Vorteile: Er kann nicht nur besser schießen als du, sondern er kann sich auch unsichtbar machen. Verstehst du? Unsichtbar.« Er seufzte. »Und er kann auf sich allein aufpassen. Mach dir keinen Kopf, der kommt schon ohne uns klar.«
Dann legte er auf und ließ mich hinter dem Planetarium im Laguna allein. Er hatte mich nur ansatzweise beruhigen können.
Nach einer halben Stunde blinder Fahrt waren meine Wangen vom Geheule so wundgescheuert wie ein feuchter Babypopo. Ich wusste, dass die Herumkurverei völlig sinnlos war, doch ich fühlte mich besser damit. Besser, als nichts zu tun.
Mein Handy klingelte Sturm und das Gebimmel zerrte nur noch mehr an meinen Nerven. Der Regen wollte einfach kein Ende nehmen.
Wieder klingelte das Handy. Es war Alexander. Ich nahm nicht ab.
Alexander war verheiratet.
Das Klingeln erstarb.
Ich dachte an Metin, mit welcher Ausgelassenheit er aus der Gasse geschlenzt war. Ohne jede Pietät. Wie kam Ansmann dazu, ihn beim Vornamen zu nennen?
Da klingelte es wieder. Diesmal war es Metin.
»Rollo. Estherlein«, schnalzte er durch den Hörer. »Mag sein, dass das ein schlechter Zeitpunkt ist, aber hast du einen Film aus der Garage mitgehen lassen?«
Mir rutschte beinahe das Telefon aus der Hand. »Wie bitte?«
»Ich hab heute Mittag mal dort reingeschaut. Um zu gucken, ob mein zweiter Thronfolger etwas kaputt gemacht hat. Er sagt, er hätte den Film nicht genommen.« Er zögerte. »Hast du ihn?«
»Leck mich!« Ich legte auf. Egozentrischer Kanake.
Ich überlegte, ob Gregor den Film vielleicht eingesteckt haben könnte und es machte mich krank, dass ich gerade jetzt darüber nachdachte.
Drakonisch drückte ich die Ziffern auf dem Display. Ich hatte Lust, Metin blutrünstige Worte an den Kopf zu werfen. Doch als er abhob, zerplatzte meine Wut in tausend silbrigviolett glitzernde Seifenblasen. Mir kam eine Idee.
»Du bist ein Genie«, flüsterte ich in den Hörer.
Dann legte ich auf und machte eine Kehrtwendung in Richtung Schlachthof, Carolinenglück und
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