Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fummelbunker

Fummelbunker

Titel: Fummelbunker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonja Ullrich
Vom Netzwerk:
fester, immer schneller. Es klang wie Applaus und ich wollte am liebsten meine Ohren zuhalten, weil das Geräusch so widerwärtig freundlich war.
    Endlich öffnete er die Augen. Sehr zögerlich. Ein Schluchzen brach aus mir heraus.
    »Ich rufe den Notarzt.« Ich war laut, als würde ich mit einem Schwerhörigen sprechen.
    Seine Wimpern flackerten wieder und ich fühlte am Bauch, dass sich seine Finger bewegten. Ich sah an mir herunter und fand seine zwei Finger, die sich an meinem Pulli festhielten.
    Das war wahrscheinlich das Schlimmste.
    Seine körperliche Schwäche zu sehen und zu beobachten, wie er langsam zugrunde ging. Wie ein angefahrener Hund am Rande der Autobahn, für den niemand anhalten wollte.
    Ich nahm mein Handy aus der Tasche und wählte den Notruf.
    Gregor bewegte die Lippen. Er sagte etwas, doch es war zu leise. Oder mein Puls war zu laut. Dann wiederholte er es.
    »Polizeifunk.«
    Was wollte er damit sagen? Sollte ich den Polizeifunk abhören? Ich schaute mich um, aber es gab kein Gerät, mit welchem ich den Polizeifunk, geschweige denn einen Radiosender hätte hören können. Ich drückte das Handy ans Ohr, die kalte Kunststoffschale wurde allmählich warm. Als mich eine männliche Stimme in der Leitung darin unterwies, dass ich die Leitstelle des Notrufes gewählt und meinen genauen Standort zu erklären habe, wusste ich, was Gregor meinte.
    Die Leitstelle würde über das Funkmeldesystem die Polizei unterrichten. Und Minderhouds Leute würden sicher den Polizeifunk abhören in der Erwartung, früher oder später die Nachricht über einen Mann mit einer Schusswunde abzufangen.
    Dann würden sie uns finden.
    Ich zauderte und brachte nur ein Krächzen heraus.
    »Hallo?«, sagte der Mann von der Leitstelle.
    »Hallo«, antwortete ich.
    »Wo sind Sie?«
    Ich gab ihm eine Anfahrtsbeschreibung. »Es ist die dritte Garagentür von links«, fügte ich hinzu.
    »Was ist passiert?«
    »Mein Bein«, sagte ich. »Es ist überall Blut. Überall!« Es musste dringend genug sein, damit sie schnell aufkreuzten. Daher fügte ich hinzu: »Ich glaube, ich habe die Hauptschlagader erwischt. Kommen Sie schnell, sonst verliere ich mein Bein!«
    »Okay, okay«, erwiderte der Mann. Er schien schon schlimmere Dinge gehört zu haben. »Der Wagen ist bereits unterwegs. Und jetzt erzählen Sie ganz ruhig, was passiert ist.«
    Ich erinnerte mich an einen Fall, bei dem ein junger Mann die Unfallversicherung bescheißen wollte und erzählte ihm etwas von einer Motorsäge. Der Typ hatte sich absichtlich in den Oberschenkel gesägt, die Macht der Kettensäge unterschätzt und das Bein verloren. Ich wusste nicht mehr, ob er noch lebte.
    Als der Mann auflegte, steckte ich mit zittriger Hand das Handy in die Tasche und atmete durch. Mein Herz schlug längst noch nicht im normalen Tempo, doch der Schwindel hatte etwas nachgelassen.
    »Sie sind bald da.« Ich sah zu Gregor auf, drückte seine Hand und setzte mein liebevollstes Lächeln auf.
    Aber da öffnete er seine Augen schon nicht mehr.
     
    Die Sirenen heulten aus der Ferne und die Muskeln in meinem Rücken kribbelten. Die ganze Zeit über hatte ich meine Wange an Gregors Gesicht gehalten, um seinen Atem zu spüren. Und der Rücken quittierte es mir mit einem Stechen, als ich mich aufrichtete, um dem Notarzt entgegenzulaufen. Als ich einen Fuß nach vorn setzte, stieß ich mit Gregors Ferse zusammen. Ich blickte hinunter. Wie so oft trug er die schwarzen Leinenschuhe mit weißen Schnürsenkeln, weißen Gummisohlen und weißen gummierten Schuhkappen. Die Schnürsenkel des linken Schuhs waren teilweise mit Blut besudelt und ich musste mich beherrschen, um nicht wieder zu weinen.
    Unverhofft sah ich etwas Silbriges auf dem Boden unter dem Sessel hervorragen. Ich kannte den Anblick nur zu gut, weil ich sie selbst vor einiger Zeit unter mein Sofa geschoben hatte. Es war Gregors Beretta.
    Schnell nahm ich die Waffe auf und steckte sie hinten in den Hosenbund. Dann rannte ich zum Garagentor und ließ das Blech über meinen Kopf hinweg hochfahren. Der Notarzt parkte quer über die Straße. Ein grau melierter Mann mit Knollennase und Buschbrauen fiel beinahe vornüber aus dem Wagen. Zwar lächelte er nicht, aber mir fiel sofort auf, dass er eine verblüffende Ähnlichkeit mit Rolf Zuckowski hatte.
    »Wo ist die Frau, die den Notruf gewählt hat?«, fragte er und keuchte angestrengt, als hätte er den ganzen Weg zu Fuß zurückgelegt.
    »Das war ich.«
    Er sah an mir herunter. »Und Ihr

Weitere Kostenlose Bücher