Fummelbunker
Stadt.« Er keuchte, als würde er gerade einen Marathon laufen. »Bitte.«
Ich stellte meine Lauscher auf. Metin bat mich. Etwas Seltsames musste im Gange sein.
»Also gut. Was ist los?«
»Es ist was mit Gregor.«
Ich quengelte. »Was hat unser Kleinkrimineller denn wieder Schönes angestellt?«
»Ich bin mir nicht sicher, Esther.« Er wurde leiser. »Aber ich glaube, er ist tot.«
16.
Gregors Hauptverkehrsmittel war ein ausrangiertes Taxi mit funktionierendem Dachschild. Der eierschalenfarbene Der eierschalenfarbene Diesel stammte aus den 90ern, jener Ära, die noch von verbleitem Benzin und Zweitaktgemischen dominiert wurde. An der Spitze seiner ausladenden Motorhaube prangte der verchromte Stern wie eine Galionsfigur, die Tage der Ledersitze waren schon lange gezählt. Ich hasste den Wagen. Die Fugen des Innenraumes waren mit Asche und Nikotin verstopft, auf dem Boden und in den Türablagen verrotteten Zigarettenstummel. Die Rückbank war mit Schrott und ausgedienten Waffen übersät. Nach unserer Auseinandersetzung hatte ich nicht damit gerechnet, dem Mercedes jemals wieder näher unter die Scheinwerfer zu treten.
Und wenn doch, so hätte ich nicht erwartet, ihn in einem Käfig aus polizeilichem Absperrband vorzufinden. Geschweige denn mit Einschusslöchern in der Windschutzscheibe.
Feiner Nieselregen schneite auf die Stadt und bedeckte den Asphalt mit einer glänzenden Schmierschicht. Die Sonne war unter einer öligen Wolkenmasse verschwunden, die sämtliches Licht schluckte. Alles erinnerte an eine Sonnenfinsternis.
Alexander brachte mich mit seinem Laguna zur anderen Seite des Stadtrandes. Die Scheibenwischer schmierten den Regen von einer Seite zur anderen und zermahlten im Halbkreis die Pampe aus Wasser und Bochums Straßenstaub. Als wir Gregors Wohnhaus erreichten, riss ich noch bei rollenden Reifen die Beifahrertür auf und sprang hinaus. Alexander ging in die Eisen.
Das Taxi war akkurat in einer Parklücke vor dem Bumskopp abgestellt; einer Szenekneipe, die üblicherweise nicht vor acht Uhr abends ihre Türen öffnete. Gregor wohnte zwei Etagen darüber. Passanten wurden wie Motten vom Blaulicht der beiden Streifenwagen angezogen, die quer über der gesperrten Gasse fläzten. Sie umkreisten das Plastikband, schnatterten und gestikulierten und wurden von einem Polizisten immer wieder ihres Stehplatzes verwiesen. Mit den Krücken in den Fäusten warf ich die Arme nach vorn und schwang mich zu zwei Beamten am Fuße der Kneipe, die sich gerade die Belegschaft vorknöpften, doch ich konnte nicht verstehen, was sie sagten.
Dann fiel mein Blick wieder auf das Taxi.
Der Blechklotz war verdreckt und unversehrt, aber auf die Windschutzscheibe waren zwei Schüsse abgegeben worden. Die erste Kugel war in der Scheibe stecken geblieben, doch die zweite hatte das Glas durchschlagen und musste Gregor in den Oberkörper getroffen haben. Haarrisse strahlten von den Einschlaglöchern fort, die mit Klebestreifen bereits vermessen und dokumentiert wurden. Der Fahrersitz war mit Blut besudelt.
Meine Nackenhaare stellten sich auf.
»Wem gehört der Wagen?«, fragte mich Alexander.
Ich hörte meine Stimme kaum. »Einem Freund.«
Metin trat mit scharrenden Schritten an meine Flanke heran. Ich sah zu ihm hinunter. Sein Gesicht war bleich, unter seinem Haaransatz sammelte sich der Regen. Sein vollgesogenes T-Shirt fiel schwer und müde von seinem gedrungenen Körper und krempelte sich oberhalb seines Nabels in den Bauchfalten ein. Er mied meinen Blick.
»Was ist hier passiert? Wo ist Gregor?«
Resigniert zuckte er mit den Schultern und die Baumwolle schlotterte. Seine Augen blieben dabei stoisch auf das Taxi gerichtet. Aus einem Impuls heraus suchte ich nach Alexanders Hand und drückte sie.
»Hey!« Alexander schälte sich aus meiner Berührung und ging auf die Uniformierten am Fuße der Kneipentreppe zu, ihnen seinen Dienstausweis unter die Nasen haltend. »Was ist hier los?«, fragte er sie.
Ich kannte die Polizisten nicht und nahm an, dass sie zur Einsatzunterstützung vor Ort waren, um den Tatort vor Unbefugten zu schützen und die Leute auszuhorchen. Für eine Weile sahen sie einander an und mir kam es so vor, als überlegten sie noch, ob sie auswärtigen Kollegen überhaupt Auskunft erteilen durften. Dann machte der Linke endlich den Mund auf. Sein blondes Haar war nach hinten gekämmt und vom Regen durchnässt. Beide trugen die Regencapes des ausrangierten grünen Lagers. Ihre Uniformen hingegen waren
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