Fummelbunker
arbeiten – sollte es doch seine Aufgabe sein, mir zu helfen und nicht, mir im Wege zu stehen. Ich setzte mich aufs Sofa und warf den Laptop an. Wäre doch gelacht, wenn ich nicht selbst herausfinden würde, wer dieser emotionale Tsunami war. Ich stellte eine Internetverbindung her und gab Bäckers Namen im Eingabefeld der Suchmaschine ein. Es dauerte einige Ergebnisseiten, bis ich über die Korrekturvorschläge für den Tennisprofi hinweg war und endlich ein paar Hinweise auf einen Reporter aus Dortmund bekam. Es waren karge Notizen, drei Fotos aus jüngeren Tagen sowie eine spärliche Vita auf der Website seines Arbeitgebers. Boris stammte aus Köln, war bei der WAZ eine Zeitlang Dossierleiter gewesen. Das war interessant, aber nicht hilfreich. Nichtsdestotrotz erfuhr ich, dass Boris für einige andere Blätter schrieb und dafür ein Pseudonym benutzte: Christian Ponzo. Als ich diesen Namen googelte, fand ich weitere Ergebnisse, wenngleich sie weniger mit seiner Person als mit seiner Arbeit zu tun hatten. Mühselig klickte ich mich durch seine uralten Berichterstattungen und rollte das Mausrad rauf und runter. Dann plötzlich stieß ich auf etwas, das ich vor Tagen bereits zu Gesicht bekommen hatte. Und was mich nun äußerst irritierte. Es war das Kürzel in der Fußzeile. Es lautete chp.
Christian Ponzo. Boris Bäcker war chp.
Er hatte die Berichterstattung über den Übergriff auf Julia Pankowiak geführt. Er war es, der Gregor Pankowiaks Prozess in allen Einzelheiten dokumentiert hatte.
Mir blieb die Luft weg. Warum hatte Olaf mir das verschwiegen? Hatte er Angst, ich würde jemanden nicht finden wollen, der sich am Leid eines Bekannten eine goldene Nase verdiente?
Das musste ich erst einmal verdauen.
Zugegebenermaßen hatte ich von Bäckers Berichterstattung profitiert. Nur seiner Beharrlichkeit war es zu verdanken, dass ich heute überhaupt verstand, warum Gregor fünf Jahre im Knast verbrachte. Er kannte Gregors Vergangenheit wahrscheinlich besser als jeder andere, was ihn für mich zu einem begehrlichen Objekt machte. Doch dass dieser Blutsauger an seinem Leidensweg verdiente, stieß mir übel auf.
Meine Nerven schnurrten. Inzwischen hatte ich Olafs Herumgesülze mächtig satt und am liebsten hätte ich sämtliche Brocken hingeschmissen, wäre die Angelegenheit nicht so verdammt interessant gewesen. Längst hatte ich Blut geleckt und Olaf, dieser Mistkerl, wusste das. Er hatte es lang genug geschafft, den Rand zu halten, um mich zu ankern. Trotzdem würde er mir nicht so leicht davonkommen.
Langsam war es Zeit, Bäckers Wohnung einen Besuch abzustatten. Ich öffnete die Telefonbuchwebsite und fand allein in Dortmund 62 Einträge unter dem Namen Bäcker. Weder war irgendein Boris noch ein verräterisches B als Kürzel dabei. Dass ich unter dem Namen Ponzo ebenfalls nicht fündig wurde, überraschte mich nicht.
Dieser Weg war also eine Sackgasse.
Pünktlich vor dem Trennen der Internetverbindung verkündete mein E-Mail-Programm den Eingang einer neuen Nachricht. Keine zwei Sekunden später klingelte mein Handy. Ich musste quer durch das Zimmer hechten, um den singenden Koreaner aus der Handtasche zu holen.
»Ich habe dir eine E-Mail geschrieben«, kündigte Sascha großspurig an. »Schon reingeguckt?«
»Wie könnte ich, wenn du mich keine Sekunde später durch die Wohnung jagst, um ans Telefon zu gehen?«
»Werd jetzt bloß nicht pampig.« Er klang übellaunig. »Zwei geschlagene Stunden lang habe ich mit einem Kollegen an der Software herumgedoktert. Der hatte nicht unbedingt die Böcke dazu. Aber als ich deinen Namen erwähnte, wurde er ganz rührselig.«
»Was? Warum?«
»Die Leute auf dem Revier wollen mal wieder was von dir hören. Mit dir war es lustig. Vor allem, als du Ansmann vors Schienbein getreten und ihn einen korrupten Drecksack genannt hast. Die Geschichte ist heute noch der Renner.«
Ich verdrehte die Augen. »Danke, dass du mich daran erinnerst.« Nicht, dass ich es vergessen hätte.
»Keine Ursache. Und jetzt guck in die E-Mail.«
»Danke. Danke. Danke.«
Hibbelig huschte ich zum Laptop zurück und öffnete das Mailprogramm. Sascha, dieses kreative Schlitzohr, hatte diverse Screenshots in die E-Mail gepappt. Es war ein Puzzle von Kontobewegungen, die tabellarischen Darstellungen nicht vollständig verständlich. Sie waren durchzogen von internen Kürzeln, teilweise waren Texte in der Mitte einfach abgeschnitten. Es gab keine größeren Barabhebungen oder Überweisungen
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