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Fummelbunker

Fummelbunker

Titel: Fummelbunker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonja Ullrich
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auf ein Konto, das dem Lütgen-Casino gehören könnte. Stattdessen gingen zahllose Buchungen zugunsten von Kreditbanken und Inkassounternehmen ab. Manches per Lastschrift, manches per Dauerauftrag. Unter dem Strich hing ein fettes Minus vor den Ziffern, sein Saldo war blutrot. Dass er durch die Bank verschuldet war, verschlug mir kein bisschen die Sprache. Doch die Tatsache, dass diverse Tilgungen beinahe wöchentlich arrangiert wurden, war für einen Otto Normalverbraucher wie mich ein grausiger Anblick.
    Boris Bäcker war blank, insolvent, pleite.
    Und das einzig Erfreuliche an dem Anblick war, dass ich nun seine Adresse hatte.
     
    Kaum eine Stunde später fuhr ich über die A 40 in Richtung Dortmund. Und ich fuhr zu schnell. Das lose Gummi meines Scheibenwischers peitschte gegen das Glas und ein warmer Sturm, der durch das halb offene Seitenfenster stob, wütete in der Innenkabine. Der Wind war lauter als mein Radio, also drehte ich die Musik auf, immer und immer mehr, und es war anzunehmen, dass selbst die Passagiere der über mir gleitenden Boeing meine Version von Herbert Grönemeyers ›Mensch‹ hören konnten.
    Boris Bäcker wohnte in Dortmund-Kley im Einzugsgebiet des Induparks. Mit 100 Stundenkilometern blinkte ich mich auf die rechte Fahrspur und gab dem Lenkrad einen Schubs, um die Karre von der Autobahn zu lotsen. Schwarze Lackfetzen flatterten auf der Motorhaube. Ein kreisrunder Bereich, größer als ein Spiegelei, war mit Taubendreck besudelt und begann wahrscheinlich bereits durch die Karosserie zu ätzen. Flache Fliegenleichen bluteten auf meiner Windschutzscheibe aus. Es gab gute Gründe, endlich den Wagen zu waschen. Aber viele andere Gründe sprachen dagegen; wie zum Beispiel der zerfurchte, spröde Lack, der sich unter den harten Waschbürsten in Kleinstpartikel verdünnisieren würde.
    Ich fuhr über die Ampelkreuzung hinweg, ließ die schillernden Elektrogeschäfte links liegen und flog über eine Senke direkt in ein Wohngebiet hinein. Die breite Straße wurde schmaler, Spurstreifen verschwanden und die Bürgersteige breiteten sich zu bequemen Laufwegen aus. Ich wurde von Krefelder Kissen aufgehalten. Danach war für jeden Geschmack etwas dabei: Schmuckvolle Einfamilienhäuser in Reihe mit Kübelpflanzen auf dem Gehweg, konventionelle Mehrfamilienhäuser, die die Spitzdächer der Häuschen überragten und zum Schluss endlos übereinandergestapelte Betonbauten. Ihr weißer Anstrich war schmucklos, die Farbe ihrer bunten Betonbalkone ausgeblichen. Die aufgemalten Hausnummern vor den Türen waren kindsgroß, rasierte Buchsbäume wuchsen am Rande des Betonweges. Es war ein skurriler Anblick. Rechts frönte der Luxus, links ackerten die Sozialarbeiter ihre Außendienststunden ab. Ich las die Straßenschilder, folgte den Anweisungen meiner Notizen auf dem Beifahrersitz und stellte mit Erleichterung fest, dass ich mich von den Betonklötzen entfernte. Als ich Bäckers Straße befuhr, sah es nach gut situierten Mietern aus. Kein Haus hatte mehr als zwei Etagen und das Grünzeug wuchs übersichtlich an den Häusern entlang. Vor Bäckers Haus wucherten weiße Rosen. Es war verklinkert, die Haustür mit einer gläsernen Markise bedacht. Rein interessehalber drückte ich auf die Messingklingel mit seinem Namen und war kaum überrascht, dass niemand die Tür öffnete. Dann drückte ich auf die Klingel daneben, die zu Frau oder Herr Svenson gehören musste. Ein kaum hörbares Summen erklang, ich stieß die Haustür auf und ging die ersten Treppenstufen hinauf. Ein junger Mann Mitte 20 stand bereits in der Tür der linksseitigen Wohnung. Seine Haut war braun und geschmeidig wie Vollmilchschokolade, ein Knäuel aus schwarzem dickem Haar stand zwei bis drei Zentimeter von seinem markigen Kopf ab. Unter buschigen Brauen funkelten mir stahlblaue Augen entgegen. Ich konnte nicht eindeutig ausmachen, ob Herr Svenson ein Dauerurlauber oder ein Südländer war, aber ich hegte keine Zweifel, dass er in seiner Freizeit nichts lieber tat, als die Sonne aus seinem Hintern scheinen zu lassen. Er sah zu mir hinunter, führte eine Reihe makelloser Zähne vor und stemmte seine Hände in die Hüften, was seinen Bizeps gut zur Geltung brachte. Er trug ein Muskelshirt und eng anliegende Sporthosen, seine Füße waren nackt. Keine Frage, dass der Junge bei den Frauen eine gut gebutterte Schnitte hatte.
    »Herr Svenson?«, fragte ich.
    »Bjørn«, sagte er nur und grinste weiter.
    »Björn«, wiederholte ich, doch er

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