Fummelbunker
schüttelte den Kopf.
»Nicht Björn. Bjørn«, verbesserte er mich, stieß ein lustvolles ö aus seiner Kehle und seine Zunge zappelte, als wolle er mir mit ihr den färöischen Querstrich aufmalen. Das Spielchen zeigte Wirkung; unter meinem Bauchnabel begann es zu kribbeln und ich dachte darüber nach, was er mit seiner Zunge noch so alles anstellen konnte.
Der Kerl war so viel Skandinavier wie ich Senegalesin war.
»Ich muss mich entschuldigen, Bjørn. Ich habe deine Klingel nur benutzt.« Ich stockte. »Eigentlich wollte ich zu Herrn Bäcker.«
»Da kommst du zu spät, Baby. Bei Bäcker gibt es nix mehr zu holen.«
Das Wort ›Baby‹ zauberte ein verlegenes Lächeln auf mein Gesicht. Als ich seinem Blick zur anderen Seite des Flures folgte, erstarb mein Grinsen sofort. Auf Höhe des Schließmechanismus war die Tür zu Bäckers Wohnung mit einem Polizeisiegel verklebt.
»Was ist da passiert?«, fragte ich.
»Ein Freibeuter.«
Ich starrte ihn an. »Ein Einbruch? Wann war das?«
Bjørn schürzte unzüchtig seine Lippen. »Letzte Woche von Freitag auf Samstag. Das sagen jedenfalls die Nachbarn.« Ein muskulöses Schulterkreisen begleitete seine Worte. »Ich hab keine Ahnung. Ich war in Urlaub.«
Ich glaubte ihm aufs Wort.
Schnell machte ich ein paar Schritte zur Seite und betrachtete das Siegel aus nächster Nähe, widerstand aber dem Drang, nach dem Schlüsseldienst zu rufen. Von Sascha, einem reinrassigen Dortmunder, wusste ich, dass die dortige Polizei wesentlich hemdsärmeliger arbeitete als die in Bochum. Aber es gab Dinge, bei der selbst die hemdsärmeligste Wache keinen Spaß verstand. Und dazu gehörte zweifelsohne, wenn Leute ihre Polizeisiegel von den Türen rissen.
Als ich Anstalten machte, die Treppen hinaufzulaufen, um die Nachbarn zu befragen, ließ der färöische Südländer seine Zunge gegen den Daumen schnacken. »Es ist niemand da. Alle zur Arbeit.«
Die Frage, die sich mir als Nächstes stellte, ließ ich im Raum hängen. Doch Herr Svenson schien meine Gedanken zu lesen.
Wieder bleckte er die Zähne. »Ich nicht. Ich habe Urlaub.«
Ich verabschiedete mich bündig und die gut gebaute Sünde verschwand so schnell, wie sie mir erschienen war. Vom Dopamin noch eingelullt, schwebte ich die Stufen hinunter. Der Sauerstoff vor dem Haus allerdings riss mich jäh in die Wirklichkeit zurück und das Wonnegefühl löste sich in Ärger auf. Ich klappte mein Handy auf und rief meinen Bruder an. Olaf brauchte fünf Freizeichen, ehe er endlich ranging.
»Wir müssen uns unterhalten.«
Sein Seufzen klang gekünstelt. »Das klingt nicht so, als ließe sich das vermeiden, oder?«
»Ich bin gerade in der Stadt. Ich kann zu dir ins Büro kommen.«
»Nein, bloß nicht!«, flüsterte er und ich sah bildlich vor mir, wie er sein paranoides Hirn vor den Augen der Kollegen hinter dem Monitor versteckte. »Treffen wir uns im Alex in der Stadt. Sagen wir in einer Stunde.«
6.
Das Alex war ein Beinahe-rund-um-die-Uhr-Bistro auf dem Ostenhellweg in der Dortmunder Innenstadt. Es lag einen Steinwurf von Bäckers und Olafs Arbeitsplatz, der Lokalredaktion der WAZ, entfernt und konkurrierte, sofern es um kantig geschnittene, frittierte Kartoffeln ging, mit der gegenüberliegenden Pommesbude sowie dem sich weiter aufwärts befindlichen Fast-Food-Restaurant mit dem goldenen M. In Sommern wie diesem versperrten astronomische Sonnenschirme und hoch wachsende Laubbäume die Sicht auf die Eingangstür des Alex. Ich fand Olaf auf der Terrasse in einem Rattanstuhl fläzend, die Füße gerade von sich gestreckt. Als er mich sah, klemmte er seine Beine zusammen.
»Ich war gerade bei Boris Bäcker zu Hause.« Ich setzte mich meinem Bruderherz gegenüber. Ein Kinderwagen wurde in meinem Rücken hin und her gerollt und die kleinen Reifen quietschten.
»Lass mich raten: Er war nicht da.«
Ich überhörte seinen blöden Scherz. »Warum hast du mir nicht gesagt, dass bei ihm am Wochenende eingebrochen wurde?«
Olaf riss die Augen auf. »Das wusste ich nicht.«
»Hattest du nicht gesagt, ihr habt zu Hause nach ihm gesucht?«
Das Baby im Kinderwagen muckte auf und die Mutter erhöhte den Druck auf die Schiebestange. Das Quietschen wurde lauter, was mich ganz kirre machte.
»Wir haben an der Haustür geschellt und es machte niemand auf.«
Skeptisch durchforschte ich seine Miene. Seine Lider waren gerötet, die Tränensäcke blutunterlaufen. »Was macht dein Heuschnupfen?«
»Geht so.«
»Warum willst du, dass ich
Weitere Kostenlose Bücher