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Fummelbunker

Fummelbunker

Titel: Fummelbunker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonja Ullrich
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Gehirn. Der Rasen war frisch gemäht und das duftende, feuchte Gras war unaufgeräumt über die gesamte Fläche verstreut. Ich schlängelte mich durch den Dschungel verwachsener Trauerzweige und staunte nicht schlecht, als sich der graue Betonblock als eine dreigeschossige Jugendstilvilla mit fünfeckigem Stubenerker entpuppte. Bei näherem Hinsehen fiel mir allerdings auf, dass das Haus einer dringenden Sanierung bedurfte: Die Fassade blätterte ab, die Fensterrahmen waren verzogen, das Holz gesplittert. Selbst durch den Spalt der Haustür konnte man eine komplette Zeitschrift schieben. Da drinnen musste es wie Hechtsuppe ziehen. Ich hörte ein Stimmengewirr und wollte durch die Fenster sehen, doch sie waren allesamt verhangen oder mit Pappkartons zugestellt.
    Das Ganze machte keinen vertrauenswürdigen Eindruck auf mich. Außerdem war es eine Schande, das Haus so verkommen zu lassen, und ich fragte mich, ob man daraus irgendwelche Rückschlüsse auf die Bewohner, insbesondere auf Viktoria Bocholt, ziehen konnte. Doch wie so oft war die Neugier stärker als der Verstand und ich sah meinem Zeigefinger dabei zu, wie er auf die glanzlose Messingklingel ohne Namensschild drückte. Der Klang der Glocke hallte in meinem geschundenen Gehirn wider.
    Ein Mann öffnete die Tür. Er hatte dicke Wülste über den Augen, eine fliehende Stirn und eine flache Nase mit breiten Nüstern. Seine Ohrläppchen waren mit stählernen Fleischtunneln ausgeschlagen, der Wuchs seiner rechten Augenbraue war durch einen Rasurschnitt unterbrochen. Ich bekam das dringende Bedürfnis, mich vom Acker zu machen. Doch der Typ hielt mir seine fleischige Hand hin und lächelte so nett, wie es mit seinem Gesicht überhaupt möglich war.
    »So wie du gucken alle. Ich bin Günther. Komm rein.«
    Ich schlug nicht ein, sondern winkte nur zaghaft aus Angst, er könnte meine Hand zerquetschen. Ich folgte ihm durch den Flur. Der Zustand der Innenräume war um einiges besser. Die Wände waren weiß, der Boden mit Terrakotta gefliest. Eine Anrichte war mit Potpourrikörben jeder Couleur zugestellt und es duftete nach Lavendel, Vanille und Sandelholz. Daneben stapelten sich ähnliche Kartons, wie ich sie schon am Fenster gesehen hatte. Gelächter drang durch den Torbogen zum Wohnzimmer, Viktoria Bocholt kam mir bereits entgegen. Ihr Haar war wieder hochgesteckt, unter ihren Augen wirkte die Haut von grauen Tränensäcken aufgebläht. Sie trug eine fliegende weiße Stoffhose und ein schwarzes Top, was sie insgesamt nur noch filigraner und schmalbrüstiger machte.
    »Ich dachte schon, Sie kommen nicht«, sagte sie mit zarter Stimme und gab mir die Hand.
    »Ich habe verschlafen.«
    Hinter Bocholt erschien eine geschmeidige, metrosexuelle und halb hohe Gestalt. Sie trug weiß, und zwar überall. Ihr Kopf schmückte eine braune Elvislocke.
    »Das ist Toni«, stellte sie sie vor. Toni nickte eifrig. Er trug pfirsichfarbenen Lidschatten, ein schwarzer Kajalstrich umrandete seine Augen. Seine Wangen wirkten aufgespritzt.
    »Toni ist unser Fotograf«, läutete Bocholt die erste Runde ein. »Wir möchten ein paar Fotos von Ihnen machen.«
    Mir fiel die Kinnlade runter. »Fotos von mir? Warum? Wofür?«
    »Sie sind mir aufgefallen. Sie passen in das Beuteschema unserer Zielgruppe. Und Sie sahen so aus, als würden Sie einen kleinen Nebenverdienst gut gebrauchen können.«
    Ich dachte, ich hörte nicht richtig. Beuteschema der Zielgruppe?
    »Normalerweise spreche ich keine Frauen an«, verkündete sie so verlegen, dass ich es ihr beinahe abkaufte. »Aber langsam gehen uns die Models aus.«
    »Models wofür?«
    Sie blickte an meiner Schulter vorbei. »Günther?«
    Günther stand noch hinter mir und machte nach dem Kommando urplötzlich kehrt. Ich hörte ihn im Flur fuhrwerken, wenig später kam er mit einem Karton zurück. Bocholt nahm den Karton entgegen, öffnete ihn und hielt mir das Prachtstück hin.
    »Dafür.«
    Es war ein Vibrator. Er war lang, pink und widernatürlich gestaltet, denn er hatte stecknadelgroße Noppen auf der Spitze. Mit entzückten Lippen bot Viktoria ihn mir feil.
    Ich verfiel in Schnappatmung. »Packen Sie das Ding weg!«
    »Nur zwei oder drei Fotos. Man wird Ihr Gesicht auch nicht sehen.«
    Meine Birne schwoll zu einem roten Ballon an. »Ja, aber dafür sieht man was anderes!«
    Toni und Günther gaben sich wort- und gestenkarg. Offenbar waren sie mehr als einmal mit derartigen Reaktionen konfrontiert worden. Mit durchgestrecktem Arm machte Bocholt

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