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Fundort Jannowitzbrücke

Fundort Jannowitzbrücke

Titel: Fundort Jannowitzbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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müssen?«
    Olaf sah ihn an. In seinen Augen sah Michael nichts als
    Ablehnung. Er kannte diese Aggression gegenüber der Polizei, das war eine Reaktion vieler Menschen unter Schock. Doch letztlich hatte nie jemand gegen sie gearbeitet, der nichts zu verbergen suchte. Michael wollte herausfinden, ob Olaf Nowack mehr wußte, und versuchte eine Falle zu stellen.
    »Niemand kann uns sagen, warum Ihre Schwester nachts um kurz nach zwölf in die Alexanderstraße eingebogen ist«, sagte er. »Aber es muß einen Grund dafür gegeben haben.«
    »Sie hatte wohl ihre Geheimnisse«, sagte Olaf knapp.
    »Doch irgend jemandem muß sie davon erzählt haben«, sagte Michael. »Ich frage mich nur, wer es gewesen sein könnte.«
    »Und wenn es ganz einfach niemand wußte?« fragte er. »Vielleicht hat sie es für sich behalten.«
    Michael ließ eine Sekunde verstreichen. »Ihr Mörder hat es gewußt«, sagte er. »Wir gehen davon aus, daß er ihr aufgelauert hat.«
    Der junge Mann blickte betroffen, und sein Gesicht wurde fahl. Michael hatte ins Schwarze getroffen. Olaf Nowack wußte tatsächlich nichts über Bettinas Pläne. Und genau das war sein Problem.
    »Bettina hätte es Ihnen sagen müssen, nicht wahr?«
    Der junge Mann schwieg. Seine Schultern hingen herab. Michael wußte, daß es sinnlos war, weiterzufragen. Er sah seine Vermutung bestätigt.
    »Es ist nicht Ihre Schuld«, sagte er. »Selbst wenn sie es Ihnen gesagt hätte, sie wäre trotzdem allein gewesen und überfallen worden.«
    Doch Olaf blieb regungslos sitzen.
    »Es ist nicht Ihre Schuld«, wiederholte Michael.
    »Können wir eine Pause machen?« fragte Olaf gequält.
    Michael seufzte.
    »Also gut«, sagte er schließlich und schaltete das Tonbandgerät aus. »Machen wir eine Pause.«
    Der Kaffeeautomat stand an der Wand zum Beobachtungszimmer zwischen den Vernehmungsräumen. Michael sah der Maschine dabei zu, wie sie einen Becher ausspuckte und stöhnend eine schwarze Brühe hineinlaufen ließ.
    Er fühlte sich wie erschlagen, und er wußte nur zu genau, warum. Er war überwältigt von den Bildern, die während der Vernehmung aufgetaucht waren. Von seinen alten Geistern, die ihn doch so lange in Frieden gelassen hatten.
    Er war zwölf Jahre alt gewesen, als das alles passiert war. Es war nun über zwanzig Jahre her. Diese alten Geschichten, sie hatten doch kaum noch mit seinem Leben zu tun. Entschlossen nahm er den Becher Kaffee aus dem Automaten und drehte sich um.
    Durch die Rückseite des venezianischen Spiegels konnte er den anderen Vernehmungsraum einsehen. Er trat näher heran. Irmgard Nowack saß am Ende des Tisches und starrte Wolfgang an, der ihr behutsam seine Fragen stellte. Die Frau war blaß und müde, und sie schien dem Geschehen kaum folgen zu können.
    »Frau Nowack«, sagte Wolfgang freundlich. »Ich muß Ihnen nur noch eine Frage stellen. Danach können Sie mit Ihrem Sohn wieder nach Hause gehen. Sind Sie einverstanden?«
    Sie nickte leicht. Wolfgang sah wieder in die Akten der Rechtsmedizin, als wolle er noch mal sichergehen, daß er richtig gelesen zu hatte.
    »Wußten Sie von der Schwangerschaft Ihrer Tochter?« fragte er dann.
    Irmgard Nowack erstarrte. Dann schüttelte sie kaum merklich den Kopf.
    »Sie hat vor weniger als zwei Wochen einen Eingriff gehabt.«
    »Eingriff?« stieß die Frau hervor.
    »Frau Nowack, Ihre Tochter hat einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen.«
    Ihr Gesicht war nur noch eine bleiche Hülle. Eine leblose Wachsfigur, dachte Michael.
    »Sie war bei einer Freundin«, sagte sie irgendwann und hob mühsam den Kopf. »Für ein paar Tage wollte sie zu ihr. Das hat sie zumindest gesagt.«
    »Wie war der Name dieser Freundin?«
    Eine einzelne Träne lief über ihr bleiches Gesicht. »Warum hat sie denn nichts gesagt?« flüsterte sie, als könne der Beamte ihr eine Antwort darauf geben.
    Wolfgang ließ den Stift aus der Hand gleiten und strich mit seiner Hand langsam über das Notizblatt. Michael kannte seinen Chef gut genug, um zu wissen, was diese unscheinbare Geste bedeutete. Er trat von dem venezianischen Spiegel zurück, warf den halbleeren Becher in den Papierkorb und verließ das Beobachtungszimmer. Gleich würde er Olaf Nowack bitten, ihm noch die letzten Fragen zu beantworten.
    Nachdem sie sich gesetzt hatten, schaltete Michael das Tonbandgerät wieder ein. Olaf Nowack wirkte erschöpft. Michael hoffte, daß er nun kooperativer sein würde.
    »Herr Nowack, Sie haben eine weitere Schwester«, sagte er.

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