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Fundort Jannowitzbrücke

Fundort Jannowitzbrücke

Titel: Fundort Jannowitzbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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Tage, an denen ich am liebsten kündigen würde.«
    Ute sah sie mit großen Augen an.
    »Wirklich?« fragte sie erstaunt. »Das kann ich mir bei der Polizei gar nicht vorstellen.«
    Anna mußte lachen. Doch das Mädchen sah sie beinahe enttäuscht an.
    »Aber Sie sorgen doch für Gerechtigkeit!« rief sie. »Ich habe noch nie etwas getan, worauf ich so stolz hätte sein können.«
    Anna wollte etwas sagen, doch Ute kam ihr zuvor. »Die Menschen haben Respekt vor Ihnen. Und Sie setzen sich den ganzen Tag dafür ein, daß ihnen kein Unrecht passiert.«
    Anna schaffte es nur mühsam, ihre Belustigung zu unterdrücken. »Es ist nicht so, wie du es dir vorstellst.«
    Das Mädchen sah sie verständnislos an.
    »Die meiste Zeit meiner Arbeit verbringe ich zum Beispiel damit, Verkehrsunfälle aufzunehmen«, sagte Anna. »Das ist einfach langweilig und bedeutet viel Schreibarbeit. Und die Leute sind oft böse auf mich und schimpfen herum, obwohl ich gar nichts für den Unfall kann.«
    Die junge Frau kicherte, als habe Anna etwas Ungehöriges gesagt.
    »Dann sind in unserem Abschnitt viele Touristen«, fuhr sie fort. »Erst passen sie nicht auf ihre Taschen auf, und dann behandeln sie mich, als ob ich sie beklaut hätte. Und wenn ich für Ordnung sorgen soll, dann schreit immer irgendwo jemand Nazi.« Sie schüttelte den Kopf. »Und schließlich der Schichtdienst. Daran werde ich mich nie gewöhnen.«
    Ute strahlte sie noch immer an. »Ich stelle es mir ganz wunderbar vor.«
    Anna schüttelte lachend den Kopf. Insgeheim fragte sie sich, ob die junge Frau sie auf den Arm nahm. In diesem Moment steckte die Restaurantleiterin den Kopf aus ihrem Büro.
    »Ute«, rief sie. »Was machst du denn da?«
    »Ich komme! Entschuldigung!«
    Ute sprang auf und zwinkerte Anna noch einmal zu. Die Polizistin sah der jungen Frau nach, wie sie hinter der Verkaufstheke verschwand und einen Stapel Tabletts wegräumte. Dann biß sie nachdenklich in den Cheeseburger.

4
    Wolfgang Herzberger leerte den Kaffeebecher mit einem tiefen Schluck.
    »Und bei dir?« fragte er tonlos.
    Michael winkte ab. »Es gab zwar keine Tränen, aber erfahren habe ich auch nichts.«
    »Kein Hinweis auf den Vater des Kindes, keine weiteren Freunde?«
    »Genau. Und niemand weiß, wohin sie nach ihrer Schicht wollte«, sagte Michael.
    Wolfgang stieß geräuschvoll die Luft aus, dann warf er den leeren Pappbecher in einem Bogen in den Mülleimer und verließ das Zimmer.
    »Was ist mit der anderen Schwester?« rief Michael ihm nach. »Barbara.«
    Er blieb kurz in der Tür stehen. »Sie hat den Vernehmungstermin heute nachmittag abgesagt.«
    »Gibt es schon einen neuen Termin?«
    »Bislang noch nicht«, meinte Wolfgang. »Aber sie und ihre Schwester hatten ohnehin keinen Kontakt. Ich erhoffe mir da kaum neue Erkenntnisse.«
    »Sie wohnt doch am Treptower Park, nicht wahr?«
    Sein Chef zuckte mit den Schultern.
    »Ich könnte heute abend dort vorbeifahren, es liegt fast auf meinem Weg.«
    »Du könntest auch die Kollegen bei der Suche nach Zeugen in den Plattenbauten unterstützen.«
    »Komm schon«, sagte Michael. »Früher oder später muß sie ohnehin befragt werden.«
    Wolfgang Herzberger nickte kurz. »Ich habe hier ohnehin nichts zu sagen«, murmelte er und ließ die Tür hinter sich ins Schloß fallen.
    Es war bereits dunkel, als Michael Schöne den Wagen vor dem Jugendstilhaus in der Richterstraße am Treptower Park abstellte. In der ruhigen Sackgasse stand ein gutes Dutzend liebevoll hergerichteter Mietshäuser aus den zwanziger Jahren. Die gepflegten Vorgärten und die parkenden Autos gaben Aufschluß über die Bewohner. Mit seinem Gehalt hätte sich Michael kaum eine Wohnung in dieser Straße leisten können.
    Aber das spielte keine Rolle. Früher wäre er voller Ehrfurcht gewesen angesichts dieser prächtigen Häuser und der gutgekleideten und gebildeten Menschen, die in ihnen lebten. Durch seinen Beruf hatte er jedoch auch diese Welt von innen kennengelernt, und mit der Zeit war der Respekt verschwunden. Hinter diesen Fassaden herrschte oft das gleiche Maß an Haß und Gleichgültigkeit wie in der verdreckten Wohnung, in der er aufgewachsen war.
    Barbara Nowack ließ ihn ohne Nachfragen ins Haus. Sie empfing ihn im ersten Stock und sah kühl auf ihn herab. Schon auf den ersten Blick erwies sie sich als das blanke Gegenteil ihrer Mutter. Mit ihren fast einen Meter achtzig stand sie stolz und herausfordernd in der offenen Tür. Ihre schlanke und sportliche Figur

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