Fundort Jannowitzbrücke
Cheeseburger?« fragte eine dünne Stimme.
Sie drehte sich um. Hinter ihr stand eine junge Frau und sah sie schüchtern an. Anna hatte sie vor einigen Minuten in die Filiale eintreten sehen, die erste Mitarbeiterin der Spätschicht, die eingetroffen war. Sie war klein und etwas untersetzt, das billige Polyesterhemd spannte sich über ihren Brüsten. Mit der freien Hand strich sie sich nervös durch die Haare.
»Danke«, sagte Anna. »Aber ich habe mein Geld auf dem Revier liegen lassen.«
»O nein«, wehrte das Mädchen ab. »Sie müssen ihn nicht bezahlen.«
Sie deutete auf die Durchreiche zur Küche.
»Wenn die Burger zehn Minuten in der Kontrolle gelegen haben, dürfen wir sie nicht mehr verkaufen.« Das Mädchen machte plötzlich ein erschrockenes Gesicht. »Sie schmecken aber noch gut«, versicherte sie eilig. »Wir selbst essen sie auch immer.«
Anna lächelte und griff zu. »Dann nehme ich gerne einen. Wie heißt du?« fragte sie nach dem ersten Bissen.
»Ute«, sagte das Mädchen. »Ute Schaum.«
»Na dann, Ute Schaum. Vielen Dank.«
Sie wollte sich bereits wieder zum Fenster drehen, doch die junge Frau blieb vor ihr stehen und sah sie nachdenklich an.
»Sie sind wegen des Mordes hier, nicht wahr?«
Anna nickte.
»Glauben Sie, daß Sie den Mörder dieses Mal zu fassen bekommen?«
»Das weiß ich nicht«, sagte Anna. »Aber ich will es doch hoffen.«
Das Mädchen schwieg, als müsse sie über die Antwort nachdenken. »Ich muß mit dem Fahrrad dort entlangfahren«, sagte sie dann. »Jede Nacht.«
»An den Parkplätzen, wo es passiert ist?«
Sie nickte wieder. »Ich wohne in Kreuzberg.«
Anna betrachtete die junge Frau, die noch immer Distanz hielt, und deutete mit einer einladenden Geste auf den freien Platz neben sich. Ute sah sie überrascht an und setzte sich dann.
»Ich glaube nicht, daß du Angst haben mußt«, sagte Anna. »Der Mörder sucht sich seine Opfer genau aus. Er beobachtet sie eine Zeitlang, dann lauert er ihnen auf. Er mußte gewußt haben, daß Bettina in der Nacht dort entlangfahren würde. Sonst wäre er gar nicht dort gewesen.«
»Sie glauben also, er ist gar nicht mehr hier in der Nähe?«
»Wahrscheinlich nicht«, sagte sie, obwohl sie wußte, daß die Ermittler zu diesem Zeitpunkt von genau dieser Überlegung ausgingen.
»Dennoch wäre es besser, wenn du dir eine U-Bahnkarte kaufen würdest. Erst einmal. Kannst du dir eine Monatskarte leisten?« fragte Anna vorsichtig.
Ute Schaum sah zu ihr auf und lächelte sie an. Dann nickte sie. »Danke«, sagte sie. »Ich muß nun an die Arbeit.«
Anna sah sich überrascht in dem Restaurant um, wo sich außer ihr kein Gast mehr befand. Alle Mitarbeiterinnen standen herum und unterhielten sich. Es gab überhaupt keine Arbeit. Ute hatte offenbar Angst, ihr auf die Nerven zu gehen.
»Wie lange arbeitest du schon hier?« fragte Anna freundlich.
»Seit einem halben Jahr.«
»Und gefällt es dir hier?«
Ute Schaum sah sie erstaunt an. Fast wirkte es so, als wüßte sie nicht, was sie sagen sollte. Anna lächelte ihr aufmunternd zu. Offenbar war die junge Frau es nicht gewohnt, daß sich jemand für sie interessierte.
»O ja«, sagte Ute schließlich. »Ich habe mich daran gewöhnt.«
»Na, das hört sich aber nicht begeistert an.«
»Es ist hier besser als anderswo«, sagte sie. »Und schwer ist es immer nur am Anfang.«
»Bis man sich zwischen den vielen Kassen und Maschinen zurechtfindet?« fragte Anna.
Das Mädchen lachte. »Das ist gar nicht so einfach. Ich hatte ein bißchen Angst vor der Pommesstation. Da kann man sich sehr schnell verbrennen.«
Anna machte ein mitfühlendes Gesicht und lächelte.
»Aber schwieriger ist es, sich an die neue Uniform zu gewöhnen«, sagte Ute. »Am Anfang wache ich immer auf und weiß gar nicht, wer ich bin: Zimmermädchen, Kassiererin, Telefonauskunft, Pförtnerin. Doch dann sehe ich die Uniform über meinem Stuhl liegen«, sagte sie kichernd. »Und das erste, was ich denke, ist: Willkommen bei Burger Point, Ihre Bestellung bitte. Dann weiß ich wieder, wo ich hingehöre.«
Annas Lächeln erstarrte ein wenig. »Hast du denn eine Ausbildung gemacht?« fragte sie.
»Nein. Aber ich habe einen Realschulabschluß.«
»Dann könntest du das noch nachholen.«
Ute sah auf den Boden und zuckte mit den Schultern. »Mir gefällt es so, wie es ist.«
Anna bereute, davon angefangen zu haben.
»Du hast recht«, sagte sie schnell. »Bei der Polizei ist es auch nicht immer schön. Da gibt es
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