Fundort Jannowitzbrücke
hervorragend.«
»Danke, aber ich bleibe beim Automaten.« Er setzte sich mit seinem Becher zu ihnen. »Haben Sie etwas Neues erfahren?« fragte er, an die Rechtsmedizinerin gewandt.
»Nein«, antwortete Wolfgang an ihrer Stelle. »Der rechtsmedizinische Bericht ist abgeschlossen.«
Gerhard Pohl sah erstaunt zu ihm hinüber. Plötzlich begriff er, daß dieses Treffen privaten Charakter haben mußte. Er wollte etwas Beiläufiges sagen, um die Situation zu entspannen, doch ihm fiel nichts ein.
»Über Serkan haben wir auch nichts Neues erfahren«, sprang Wolfgang für ihn ein. »Er redet nicht mit uns, sondern sitzt die ganze Zeit im Vernehmungszimmer und starrt vor sich hin.«
»Ist er denn die verdächtige Person, die der Observationseinheit an der Jannowitzbrücke entwischt ist?«
»Nicht einmal das wissen wir«, sagte Wolfgang. »Wir wissen nur, daß er nicht der Täter ist.« Nach kurzem Zögern fügte er hinzu: »Und daß er derjenige ist, von dem Bettina schwanger war.«
Dr. Freythal mischte sich in das Gespräch. »Was passiert denn jetzt mit ihm?«
Wolfgang sah sie finster an. »Abschiebehaft.«
»Also in jeder Hinsicht ein erfolgreicher Einsatz«, bemerkte sie.
»Jedenfalls können wir ihn als Täter ausschließen«, meinte Wolfgang. »Vielleicht war es am Ende auch gar keine Beziehungstat, und der Täter hat sich schlicht und einfach einen neuen Opfertypus gewählt. Weshalb auch immer.«
Gerhard Pohl schob seinen Kaffeebecher über den Tisch. »Weshalb auch immer«, wiederholte er unzufrieden. »Ein neuer Opfertypus, eine neue Signatur, ein neuer Modus operandi. Alles ist neu, nur der Täter soll der alte geblieben sein.«
»Sie meinen, er hätte wenigstens eine Wäscheleine benutzen können«, sagte Wolfgang und sah ihn müde an. »Eine Beziehungstat scheint mir trotzdem immer noch am wahrscheinlichsten, wir müssen wohl alles noch mal überprüfen.«
Dr. Freythal wippte nervös auf ihrem Stuhl. Sie sah über die leeren Tische im Speisesaal. Dann wandte sie den Blick ab und seufzte.
»Also gut«, sagte sie. »Vielleicht ist mir bei der Obduktion etwas aufgefallen, was ihr nicht in meinem Bericht finden könnt.«
Die beiden Männer sahen sie an.
»Die Annahme ist jedoch völlig unseriös«, sagte sie mit Unbehagen. »Kein objektiver Befund. Und ich möchte auch, daß es unter uns bleibt. Es ist lediglich eine Vermutung, die am Ende mehr über meine Vorannahmen und Erwartungen aussagt als über den Untersuchungsgegenstand.«
»Jetzt spann uns nicht auf die Folter«, sagte Wolfgang. »Raus damit.«
»Das Opfer hatte stark ausgeprägte Würgemale. In der Regel sind sie beim Erwürgen nicht so typisch ausgeprägt.
Sie sind eher fleckförmig und bilden die Fingernägel ab. In diesem Fall sind sie aber erstaunlicherweise fast durchgängig.«
»Hat das eine besondere Bedeutung?« wollte Wolfgang wissen.
»Nein. Außer daß man mit Phantasie etwas sehen könnte«, sagte sie widerwillig. »Einen waagerechten Schatten, wie die Andeutung einer Strangfurche. Wenn es aber ein Strangwerkzeug gegeben hat, dann hat es keine Fasern hinterlassen und wurde nur sehr kurz und vor dem Würgen eingesetzt.«
»Eine Wäscheleine!« rief Wolfgang.
Sie funkelte ihn böse an. »Es ist reine Spekulation, von einer Wäscheleine auszugehen. Das Ganze ist ohnehin völlig haltlos. Am besten wird es sein, ihr schenkt der Sache nicht zuviel Beachtung.« Sie strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. »Es könnte aber erklären, wie es bei bislang so zwanghafter Beibehaltung des Modus operandi zu solch einer Wendung kam. Um es nochmals zu betonen: Das Opfer war wesentlich stärker als die beiden Frauen in Pankow. Er könnte versucht haben, seinen typischen Ablauf einzuhalten. Es ist ihm schlicht mißlungen.«
Wolfgang rührte mit dem Löffel in seinem Kaffee.
»Dann können wir jetzt die Presse ins Spiel bringen. Ich habe mit der Familie die Einzelheiten besprochen.«
»Die Presse?« fragte Dr. Freythal.
Wolfgang seufzte. »Erklären Sie es«, sagte er zu Pohl.
»Der Täter hat postmortal Wiedergutmachungshandlungen am Opfer vorgenommen«, erläuterte der Fallanalytiker. »Er hatte also zumindest nach der Tat ein Unrechtsbewußtsein, vielleicht sogar ein Reuegefühl. Das ist das erste Mal, daß wir so etwas bei ihm beobachten konnten. Deshalb ist eine Beziehungstat trotz allem immer noch wahrscheinlich.«
»Bettina soll als der lebensfrohe und liebenswerte Mensch, der sie war, in der Presse präsent werden«, sagte
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