Fundort Jannowitzbrücke
er. »Ich muß sofort mit Wolfgang Herzberger sprechen.«
»Herr Herzberger ist nicht im Büro. Er wird in ein paar Minuten wieder zu erreichen sein.«
»Hat er noch Termine heute nachmittag?«
Er hörte sie im Kalender blättern. »Nein. Jedenfalls keine außer Haus.«
»Sagen Sie ihm, daß ich kommen werde. In einer halben Stunde bin ich da.«
Barbara Nowack spielte nervös mit ihrer Zigarettenschachtel. Ein dunkles Gefühl hatte von ihr Besitz ergriffen, seit der Kommissar gegangen war. Sie fragte sich unaufhörlich, ob er etwas wissen konnte. Ihr Plan durfte nicht in Gefahr geraten.
Sie stand auf und sah die Zeitungen an der Theke durch. Michael Schöne konnte nichts von ihrem Plan wissen, sagte sie sich. Es war unmöglich.
Im Berliner Kurier entdeckte sie einen Artikel über den Serientäter, sie griff sich die Zeitung und setzte sich wieder. Sie schlug das Boulevardblatt auf und überflog die Seite. Über dem Artikel war ein großes Foto, es zeigte ihre Schwester in der Uniform des Burger Point. Sie hielt einen Cheeseburger hoch und strahlte in die Kamera. Ihre Augen leuchteten, offenbar hatten sie und ihre Kollegen gerade richtig Spaß an ihrer Arbeit. Kaum vorstellbar in diesem Job, dachte Barbara.
Der Artikel erzählte die Geschichte des dritten Opfers. Bettina wurde als Mensch voller Lebensfreude und Liebenswürdigkeit dargestellt. Barbara glaubte zwischen den Zeilen zu lesen, daß ihr Tod als größere Tragödie betrachtet wurde als die bisherigen Morde. Als wäre ihre Schwester eine Heilige, dachte sie verständnislos.
Sie suchte in dem Artikel nach Informationen über die Polizeiarbeit. Doch es drang nur wenig über die Ermittlungen an die Öffentlichkeit, und sie konnte nicht abschätzen, ob die Polizei eine Spur hatte. Barbara fragte sich, ob sie zu dem Kommissar weniger abweisend hätte sein sollen. Vielleicht hätte sie von ihm etwas erfahren können.
So mußte sie sich mit den spärlichen Informationen aus der Presse zufriedengeben. Die Polizei ging davon aus, daß der Täter in Pankow lebte oder dort arbeitete. Er mußte kräftig und sehr groß sein, außerdem ging er bei seinen Taten überlegt und vorsichtig vor. Doch das war es auch schon.
»Hallo, Barbara«, sagte Olaf.
Sie schreckte auf. Ihr hünenhafter Bruder war an ihrem Tisch erschienen. Er setzte sich zu ihr und strich sich durch seine roten Haare.
Barbara hatte sich sofort wieder unter Kontrolle.
»Weshalb wolltest du dieses Treffen?« fragte sie kühl. In seinem Blick konnte sie nichts als Verachtung lesen.
»Mutter macht sich Sorgen. Sie hat Angst um dich.«
»Angst um mich! Das glaubt sie doch selbst nicht.«
»Ich habe ihr auch gesagt, daß du diese Sorgen nicht verdient hast.«
Barbara wollte kontern, doch sie besann sich.
»Glaub es, oder laß es bleiben«, sagte Olaf ruhig. »Jedenfalls macht sie sich Sorgen.«
»Selbst wenn es so wäre«, sagte Barbara. »Warum kommt sie nicht und sagt mir das selber?«
Olaf schüttelte den Kopf. »Soll sie sich wieder von dir anschreien lassen?«
Eine Zeitlang sahen sie sich schweigend an, als versuchten sie, die Kräfte des anderen abzuschätzen.
»Sie hat mich gebeten, nach dir zu sehen«, sagte Olaf. »Sie will nur wissen, ob es dir gutgeht.«
»Das tut es. Du kannst also wieder gehen.«
»Wieso warst du nicht auf der Beerdigung?«
»Welche Rolle hätte ich da spielen sollen?«
Ihr Bruder schlug mit der Faust auf den Tisch. »Bezieh doch nicht immer alles auf dich«, rief er. »Mutter hat es fast umgebracht, daß du nicht da warst.«
»Jetzt tut doch nicht alle so, als wären wir eine liebende Familie. Ihr seid das vielleicht, aber ich habe damit nichts zu tun. Warum soll ich ausgerechnet auf Bettinas Beerdigung eure Show wieder mitspielen?«
Ihr Bruder starrte sie ungläubig an, dann stand er auf. »Ich habe ihr gesagt, daß man mit dir nicht reden kann.«
»Genau«, sagte Barbara knapp. »Grüß sie von mir.«
Olaf blieb vor dem Tisch stehen. Er stützte sich auf die Tischplatte und beugte sich weit vor. Barbara wußte, daß er sie mit dieser Haltung einschüchtern wollte. Er nutzte seine Körpergröße, das kannte sie von früher. Doch diese Zeiten waren vorbei. Sie würde sich nicht mehr einschüchtern lassen.
»Was ist mit dir los, Barbara? Du läßt dich in deiner Agentur vertreten, du gehst nie ans Telefon.« Er fixierte sie mit seinen grünen Augen. »Was tust du die ganze Zeit seit ihrem Tod?«
Sie hielt seinem Blick stand. »Was geht dich das
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