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Fundort Jannowitzbrücke

Fundort Jannowitzbrücke

Titel: Fundort Jannowitzbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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Wolfgang. »Der Täter soll mit seiner Reue konfrontiert werden und nicht die Möglichkeit bekommen, sie zu verdrängen.« »Und zu welchem Zweck?«
    »Wir wollen an sein Gewissen rühren und ihn unter Druck setzen. Vielleicht macht er einen Fehler. Wenn er sich in Bettinas Umfeld befindet, dann kann der kleinste Fehler auffallen und uns zu ihm führen.«
    »Davon versprecht ihr euch Erfolg?« fragte die Rechtsmedizinerin skeptisch.
    »Keine Ahnung«, sagte Wolfgang. »Aber etwas anderes fällt mir jetzt auch nicht mehr ein. Mal sehen, was passiert.«

10
    Barbara Nowacks Sportwagen schoß aus der Richterstraße. Sie bog mit quietschenden Reifen um die Ecke und fuhr mit erheblichem Tempo davon. Offenbar hatte sie Michael Schöne nicht auf dem Bürgersteig vor ihrem Haus stehen sehen.
    Er hatte nochmals mit ihr sprechen wollen, nachdem sie Serkan festgenommen hatten. Obwohl er seine Entdeckung ihr gegenüber nicht erwähnen konnte, würde er vielleicht auf einem anderen Weg etwas von ihr erfahren.
    Er sprang in seinen Golf und nahm die Verfolgung auf. Im dichten Stadtverkehr konnte Barbara ihr anfängliches Tempo nicht halten, und so hatte er keine Schwierigkeiten, sich ihrer Geschwindigkeit anzupassen.
    Sie arbeitete sich durch die verstopften Straßen bis zum Alexanderplatz. Dann bog sie ab und nahm einen Schleichweg zum Hackeschen Markt. Im Halteverbot parkte sie ihren Wagen und stieg aus. Michael sah sie in einem Cafe verschwinden.
    Er suchte sich ebenfalls einen Parkplatz. Barbara Nowack hatte sich bereits an einem Tisch am Fenster niedergelassen. Sie bestellte, setzte ihre Sonnenbrille auf und ließ sich von der Märzsonne das Gesicht wärmen.
    Michael stellte sich an eine Straßenbahnhaltestelle und wartete. Im dichten Gewühl der Touristen fiel er nicht auf. Reisegruppen schoben sich an ihm vorbei. Die einfahrenden Straßenbahnen versuchten vergeblich, sie mit ihrem Klingeln von der Straße zu verscheuchen.
    Barbara blieb allein. Sie döste in dem sonnendurchfluteten Cafe und zündete sich von Zeit zu Zeit eine Zigarette an.
    Michael beschloß, zu ihr zu gehen. Er hatte noch keinen Plan, sondern hoffte einfach, daß sie mit ihm reden würde, und überquerte die belebte Straße. Die Tür des Cafes schlug hinter ihm zu. Im Innern war es warm und sonnig. Freundlich nickte er der Bedienung zu und trat an Barbaras Tisch.
    »Guten Tag, Frau Nowack.«
    Sie schrak zusammen und schob ihre Sonnenbrille hoch.
    »Herr Schöne«, sagte sie überrascht. »Verfolgen Sie mich?«
    »Ich habe Sie gerade zufällig von der Straße aus gesehen. Da dachte ich, ich setze mich kurz zu Ihnen.«
    Sie lächelte schwach und schob die Brille zurück auf die Nase.
    Michael setzte sich. »Wie geht es Ihrer Familie?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Sie zündete sich eine weitere Zigarette an und blickte aus dem Fenster. »Und es interessiert mich auch nicht sonderlich«, fügte sie hinzu.
    Plötzlich hatte er eine Idee. Es war nur eine Möglichkeit, aber vielleicht würde er es auf diese Weise schaffen, daß sie ihre Distanz aufgab und zu einem Gespräch bereit war.
    »Ich habe zu meinen Geschwistern auch keinen Kontakt mehr«, begann er. Sie ging nicht darauf ein, und er fuhr fort. »Bei mir sind es ebenfalls zwei Geschwister, wie bei Ihnen. Ein Junge und ein Mädchen. Sie müßten heute beide um die Dreißig sein. Falls sie noch am Leben sind.«
    Die Kellnerin trat an den Tisch, und er bestellte sich einen Tee. Er hatte die Geschichte schon so oft erzählt, daß es ihm vorkam, als beträfe sie ihn gar nicht. Er konnte sogar dabei lächeln.
    »Ich weiß kaum etwas über sie«, sagte er, nachdem die Kellnerin wieder gegangen war. »Stellen Sie sich vor, ich kann mich nicht einmal an ihre Gesichter erinnern.«
    Barbara Nowack blickte aus dem Fenster. Er fragte sich, ob es überhaupt Sinn hatte, die Geschichte zu erzählen. Doch es war ihm noch nie so leicht gefallen wie heute, und er wollte allein deshalb fortfahren, weil er wissen wollte, ob er sie bis zum Ende erzählen könnte, ohne irgend etwas zu fühlen.
    »Mein Vater war Alkoholiker«, fuhr er fort. »Wenn er besoffen war, dann wurde er gewalttätig. Und am Ende war er nur noch besoffen. Das meiste hat meine Mutter abbekommen. Ich war gerade zwölf, als er sie schließlich im Suff erschlagen hat. Die Fürsorge hat mich in ein Heim gesteckt, später in eine Pflegefamilie. Meine Geschwister habe ich nie wieder gesehen. Heute denke ich, daß es das beste war, was mir passieren

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