Fundort Jannowitzbrücke
Tür auf.
»Karen Schipp«, stellte sie sich vor. »Der Verdächtige befindet sich in einer Wohnung im siebzehnten Stock. Ich begleite Sie.«
Sie fuhren mit dem Fahrstuhl in die oberste Etage. Die Beamten des Sondereinsatzkommandos warteten bereits auf ihn. Die Wohnung befand sich am Ende eines langen Flures. Wolfgang nickte dem Einsatzleiter zu, der vor der Wohnungstür wartete.
»Wie sieht es aus?« erkundigte er sich.
»Alle in Position«, meinte der Einsatzleiter. »Wir können loslegen.«
Wolfgang trat vor und drückte auf die Klingel.
»Aufmachen! Polizei!«
Aus der Wohnung drangen Stimmen. Männer redeten durcheinander und liefen aufgeregt umher. Türen knallten. Wolfgang hörte es scheppern.
»Öffnen Sie die Tür!« rief er. »Sonst verschaffen wir uns Zutritt!«
Er wartete noch einen Moment, ehe er dem Einsatzleiter ein Zeichen gab. Dann trat er zurück an die Wand und beobachtete von dort aus, wie die Polizisten die Tür aufbrachen und in Sekundenschnelle in die Wohnung eindrangen.
Wolfgang eilte hinterher. In den engen Räumen herrschte Chaos. Schranktüren standen offen, Stühle waren umgekippt, dazwischen lag eine Bettdecke. Es wirkte so, als habe Serkan in letzter Sekunde verzweifelt nach einem Versteck gesucht.
Die Beamten verteilten sich blitzartig in der kleinen Wohnung. Sie durchkämmten jeden Winkel. Serkans Freund wurde im Wohnzimmer überwältigt. Er rief etwas in einer fremden Sprache, dann fiel er zu Boden. Die Beamten durchsuchten ihn und drückten sein Gesicht auf den Teppich.
Serkan schien nicht mehr in der Wohnung zu sein. In der Küche bewegte sich ein Vorhang. Die Tür zum Balkon stand ein Spalt weit offen.
Mit einer schnellen Bewegung riß Wolfgang den Vorhang zur Seite. Der Balkon war leer. Ein Träger führte weiter nach oben. Er trat einen Schritt vor und sah hinauf. Serkan hätte von dort aus problemlos auf das Dach klettern können.
Er gab den Beamten ein Zeichen. »Auf das Dach!«
Wenige Sekunden später erreichten sie das Treppenhaus. Karen Schipp sah sie erstaunt an und folgte ihnen die Treppe hinauf aufs Dach.
Eine Brandschutztür führte ins Freie. Die Beamten des Kommandos stürmten voran, Wolfgang und Karen Schipp folgten. Sie waren von der Helligkeit geblendet. Um sie her nichts als Himmel. Serkan erschien als dunkle Gestalt am Rande des Daches. Er sah hinüber und schrie. Sie verstanden ihn nicht, doch in seiner Stimme war Panik zu hören. Mit einer ruckartigen Bewegung wandte er sich ab und kletterte an einem Gitter hinauf.
Wolfgang blinzelte angestrengt gegen das Licht. Das Gitter stellte sich als Absperrung heraus. Es war am Rande des Daches installiert worden, damit niemand versehentlich hinunterstürzen konnte.
»Mein Gott«, entfuhr es ihm. »Er bringt sich um!«
Serkan schwang sich an dem Gitter hoch. Er reagiert wie ein in die Enge getriebenes Tier, dachte Wolfgang. Ihnen blieb keine Zeit. Er würde ihnen keine Möglichkeit lassen, mit ihm zu reden, ihn zu überzeugen. Er würde springen, und sie konnten nichts dagegen unternehmen.
Wolfgang starrte entsetzt auf das Gitter. Serkan hatte bereits ein Bein auf die andere Seite geschwungen. Er bräuchte sich nur noch abzustoßen.
In diesem Moment fiel ein Schuß.
9
Anna Proschinski passierte mit ihrem Wagen den ehemaligen Todesstreifen. Der Himmel war verhangen, und die Häuserzeile am Ende des brachliegenden Streifens ragte wie eine Felswand aus dem Boden. Erst auf den zweiten Blick sah sie die knospenden Blumen auf den Fensterbänken und die sanften Lichter in den einzelnen Wohnungen.
Sie bog in die Dresdner Straße ein, hielt vor dem letzten Haus und hupte zweimal. Ute erschien an ihrem Fenster im ersten Stock. Sie winkte Anna zu, dann verschwand sie im hinteren Teil der Wohnung.
Wegen des diesigen Wetters wurde es früher dunkel als sonst. Obwohl es erst kurz nach drei war, hatte Anna die Scheinwerfer einschalten müssen. Sie arbeitete wieder in der Nachtschicht, in sechs Stunden würde sie anfangen. Bis dahin hatten sie noch genug Zeit.
Ute erschien mit ihrer Sporttasche und strahlte Anna an.
»Ohne Uniform hätte ich Sie fast nicht erkannt«, rief sie ihr entgegen und stieg ins Auto.
Anna mußte lächeln. Die Fröhlichkeit des Mädchens schien ungebrochen. Sie setzte den Wagen zurück und fuhr in Richtung Alexanderplatz.
»Dann wollen wir mal sehen, was du drauf hast«, sagte sie und grinste Ute an.
»Sie denken wirklich, ich könnte die Aufnahmeprüfung bei der Polizei
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