Fundort Jannowitzbrücke
Bürgersteig stehen. Anna begann in der kalten Luft zu frösteln.
»Kein Auto weit und breit. Das hasse ich am meisten«, sagte sie zu ihrem Kollegen.
»Trotzdem«, sagte er. »Wie sähe das denn aus, wenn die Polizei bei Rot über die Straße ginge?«
»Ich meine ja nur.«
Auf der anderen Seite hatten sich einige Touristen zusammengefunden. Sie hantierten mit ihren Kameras und redeten aufgeregt in einer Sprache, die Anna nicht verstand. Eine Frau aus der Gruppe entdeckte die beiden Polizisten im Licht der Laterne. Sie zeigte mit ausgestrecktem Finger auf ihre Uniformen und rief etwas. Die anderen begannen zu lachen. Einige zogen Kameras hervor und machten Fotos von ihnen.
Recht haben sie, dachte Anna mißmutig. Die albernen Bundfaltenhosen und die waldgrünen Jacken der deutschen Schutzpolizei sahen einfach lächerlich aus. Ihr würden sie auch keinen Respekt abfordern.
Die Ampel sprang auf Grün, und sie mußten an der Touristengruppe vorbei. Eilig zogen sie sich in ihren Streifenwagen zurück und versuchten, sie nicht weiter zu beachten.
Sie hatten gerade die Wagentüren zugeschlagen, als sich der Dienststellenleiter über Funk meldete.
»Anna? Bist du im Einsatz?«
»Gerade abgeschlossen«, sagte sie. »Was gibt es?«
»Der Leiter der Sonderkommission Pankow will dich sprechen. Kriminalhauptkommissar Herzberger. Melde dich mal bei ihm.«
»Hat er gesagt, worum es geht?«
»Keine Ahnung. Wahrscheinlich noch einmal wegen des Hinweises, den du an die Kommission weitergeleitet hast.«
»Wir fahren jetzt ohnehin auf die Wache«, sagte sie. »Ich werde von dort aus anrufen.«
Sie hängte das Funkgerät in die Halterung und zog ihre Mütze vom Kopf. Ihr Kollege wollte gerade den Wagen starten, als sie einen Schrei hörten.
Anna schaute zu der Touristengruppe hinüber. Eine Frau lag am Boden und fuchtelte mit den Händen in der Luft herum. Ein Mann hatte sich gerade aus ihrem Griff befreit. Er stolperte, fing sich auf, dann löste er sich aus der Gruppe und rannte los. In seiner Hand hielt er eine Kamera.
Der Dieb rannte auf den Streifenwagen zu. Er hatte ihn fast erreicht, als er aufsah und ihn bemerkte. Erschrocken blickte er direkt in Annas Gesicht. Es dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, dann drehte er ab und floh.
»Hinterher!« rief ihr Kollege und sprang aus dem Wagen.
Anna stieß die Tür auf und war schon auf der Straße. Der Dieb hatte nur wenige Meter Vorsprung. Sie rückte ihren Gürtel zurecht, dann rannte sie los.
Michael und seine Kollegin verließen eines der Hochhäuser in der Alexanderstraße. Inzwischen war es dunkel geworden. Michael fragte sich, wie oft sie noch durch das Neonlicht der endlosen Hausflure schleichen mußten, bis die letzte Mietpartei zur Tatnacht befragt worden war.
Seine Kollegin streckte sich in der kalten Luft. Dann machte sie sich auf den Weg zu den Parkplätzen.
»Was ist?« sagte sie. »Kommst du mit in die Keithstraße?«
»Nein, fahr ruhig ohne mich. Ich habe noch etwas vor.«
Sie sah ihn mißtrauisch an. »Ich werde den Bericht nicht alleine schreiben. Nur damit das klar ist.«
»Ich komme nach. Fahr einfach schon mal vor.«
Alte Zicke, dachte er mißmutig. Er wartete, bis sie auf der anderen Straßenseite verschwunden war, dann holte er sein Handy heraus.
Er hätte nicht erklären können, weshalb sich seine Gedanken den ganzen Tag um Barbara Nowack und ihren Bruder Olaf drehten. Die Vorstellung, daß sie etwas mit dem Fall zu tun haben könnten, schien abwegig. Und dennoch glaubte er es mit jeder Faser seines Körpers spüren zu können. Selbst wenn sie nicht persönlich daran beteiligt waren, mußten sie Tatumstände kennen, von denen die Polizei nichts wußte. Da war er sich ganz sicher.
Doch wie hätte er das seiner Kollegin oder gar Wolfgang erklären sollen? Das Paket am Kottbusser Tor, seine Beobachtungen im Cafe, keiner hätte das als Grundlage einer Verdächtigung akzeptiert. Und von seiner Entdeckung in Barbaras Wohnung sollten die anderen möglichst nichts erfahren.
Er gab die Nummer von Barbara Nowack in sein Handy ein. Minutenlang ließ er es klingeln. Doch sie nahm weder ab, noch sprang der Anrufbeantworter an. Nach kurzem Zögern wählte er die Nummer ihrer Mutter. Irmgard Nowack nahm ab. Die Stimme am anderen Ende klang dünn und matt, ganz wie bei der Vernehmung vor drei Tagen.
»Ich würde gerne mit Ihrem Sohn sprechen«, sagte Michael.
»Olaf ist nicht da.« Ihre Stimme hörte sich ängstlich an. »Was wollen Sie denn von
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