Fundort Jannowitzbrücke
hast das Zeug dazu.«
»Das hätte ich nie gedacht.«
Ich auch nicht, dachte Anna und reichte ihr das Geld.
»Dann sehen wir uns morgen beim Sport.« Sie zwinkerte ihr zu. »Schöne Schicht!«
Die Polizisten kämpften sich aus dem Burger Point heraus und gingen zurück zu ihrem Streifenwagen.
»Ich würde bescheuert werden, wenn ich da arbeiten müßte«, sagte Jürgen, als er den Wagen aufschloß.
»Ja«, sagte Anna. »Sie macht es ziemlich gut.«
Ihr Kollege stellte die Tüten auf die Rückbank. »Ihr treibt zusammen Sport?«
»Ich bereite sie auf die Aufnahmeprüfung bei der Polizei vor. Sie will in den Mittleren Dienst.«
Jürgen sah zu der Filiale zurück und legte die Stirn in Falten. »Die Kleine? Glaubst du, sie hat das Zeug dazu?«
»Man unterschätzt sie«, sagte Anna. »In ihr steckt mehr als das verschüchterte Mädchen. Wir werden uns noch alle umsehen!«
Jürgen brummte etwas, dann schlug er die Tür zu und startete den Motor.
Auf der Wache wurden sie freudig empfangen. Ihre Kollegen hatten sich schon im Bereitschaftsraum versammelt und warteten auf das Essen. Sie johlten und machten Witze, als sie eintraten. Es ist wie bei der Essensausgabe in einem Kinderheim, dachte Anna belustigt.
Sie verteilte die Burger und schnappte sich einen Stuhl. Doch als sie ihre Pommes vor sich ausbreitete, streckte der Dienststellenleiter den Kopf durch die Tür.
»Hast du dich bei der Sonderkommission gemeldet?« fragte er sie.
»Scheiße«, murmelte sie. »Das habe ich ganz vergessen.«
»Dieser Herzberger hat vor einer halben Stunde noch mal angerufen.«
»Ich rufe ihn sofort zurück.« Sie stand auf und ging zum Telefon.
»Er möchte, daß du persönlich vorbeikommst«, sagte ihr Chef.
»Jetzt gleich?« Sie blickte auf ihre Pommes.
»Tut mir leid. Nimm einen der Streifenwagen. Wenn du dich beeilst, kannst du in einer halben Stunde wieder hiersein.«
Anna blickte zu Jürgen, der sich ein Grinsen nicht verkneifen konnte. »Ich paß auf deine Pommes auf«, sagte er und warf ihr die Zündschlüssel zu.
Zwanzig Minuten später saß Anna im Büro des Hauptkommissars. Es war einer der wenigen beleuchteten Räume in dem riesigen Gebäude. Niemand außer der Sonderkommission schien um diese Zeit noch zu arbeiten.
Ihr gegenüber saßen Herzberger und ein Herr Pohl, der ihr als Fallanalytiker vom LKA vorgestellt wurde. Die beiden Beamten wippten in ihren Sesseln und sahen sie nachdenklich an.
»Man könnte also sagen, daß Sie Einblicke haben, was das Privatleben der Mitarbeiterinnen und ihre persönlichen Beziehungen angeht?« fragte Hauptkommissar Herzberger.
»Ich habe ein paar Mädchen von den Kassen kennengelernt«, sagte sie. »Aber bei den meisten ist es über kurze Gespräche nicht hinausgegangen.«
Herzberger nickte und sah zu seinem Kollegen hinüber.
»Wie könnte ich Ihnen denn behilflich sein?« fragte sie vorsichtig.
Der Kriminalhauptkommissar zögerte. »Was wissen Sie über den Täter, Frau Proschinski?«
Anna zuckte mit den Schultern. »Er soll seine Opfer sorgfältig ausgewählt haben. Er hatte genaue Kenntnisse über ihre Arbeitsstellen und ihre Freizeitaktivitäten. Er sucht lange nach den richtigen Plätzen, um ihnen gefahrlos aufzulauern.«
»Richtig«, sagte Herzberger. »Und wir gehen davon aus, daß es in diesem Fall genauso war.«
»Und dennoch ist eines sehr ungewöhnlich«, sagte der Fallanalytiker. »Die Wahl dieses Opfers. Bettina paßt überhaupt nicht in das Opferprofil, das wir von ihm kennen.«
Der Hauptkommissar schnitt ihn mit einer Handbewegung ab. »Um es kurz zu machen: Es könnte sein, daß er Bettina mit einer anderen Kassiererin verwechselt hat. Er wollte gar nicht sie ermorden. Er hatte es auf eine andere abgesehen.«
Anna spürte, wie sich ihre Kehle zuzog. »Verwechselt?«
»Schauen Sie sich sein Opferprofil an«, sagte Herzberger und deutete auf das Flipchart hinter ihm. »Wir suchen ein Mädchen aus dem Burger Point, auf das dieses Profil passen könnte.«
Eine Reihe von Merkmalen waren aufgelistet. »Sie ist achtzehn bis zweiundzwanzig Jahre alt«, begann er. »Sie ist schlank, unauffällig, allein lebend. Sie ist schüchtern im Umgang mit anderen Menschen, vorsichtig, ängstlich und führt ein zurückgezogenes Leben. Sie hat wenig soziale Kontakte, in ihrer psychosexuellen Entwicklung ist sie eventuell verzögert. Sie könnte aus zerrütteten familiären Beziehungen stammen, bislang hatte sie keinen Freund oder Lebenspartner. In ihrem Verhalten
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