Fundort Jannowitzbrücke
hatte sich verändert, seit sie Anna kennengelernt hatte.
Sie hatte plötzlich ein Ziel vor Augen. Und sie hatte Kräfte entdeckt, die sie niemals in sich vermutet hätte. Ihr bot sich eine Chance. Sie würde ihr Leben ändern können. Immer leiser wurde die Stimme in ihr, die daran zweifelte, ob sie diesem Glück nach all den Enttäuschungen überhaupt trauen durfte.
Mit Annas Hilfe konnte sie es vielleicht tatsächlich schaffen, ein neuer Mensch zu werden. Anna war ihre Freundin geworden. Sie würde sie begleiten auf ihrer Suche nach dem bißchen Glück, das sie sich so sehr wünschte.
Eine S-Bahn ratterte über die Bögen jenseits der Parkplätze. Der plötzliche Lärm ließ sie zusammenzucken. Sie sah den flackernden Lichtern hinterher, bis sie im S-Bahnhof verschwanden. Dann blieb sie stehen. Da war eine Bewegung. Sie glaubte einen Schatten auf dem Parkplatz gesehen zu haben.
Sie fixierte die schlecht ausgeleuchtete Parkfläche, die hinter der Hecke lag. Doch zwischen den Autos war alles leer. Die kahlen Äste tanzten im Wind und schlugen gegen die Laternen.
Ute ging zögerlich weiter. Sie beschloß, die Straßenseite zu wechseln. Ihr war unbehaglich zumute. In diesem Moment kam der Arm von hinten. Er tauchte ganz plötzlich auf. Bevor sie reagieren konnte, legte er sich fest um ihre Brust. Ruckartig wurde sie zurückgerissen. Sie stolperte über den Bordstein, knickte mit dem Fuß ein und fiel. Der Mann riß sie wieder hoch, noch ehe sie selbst das Gleichgewicht wiederfinden konnte.
Ein Schatten fiel über ihr Gesicht. Dann spürte sie einen stechenden Schmerz. Es mußte eine Plastikschnur sein, sie schnitt sich tief in die Haut ihres Halses. Sie bekam keine Luft mehr. Ihr Körper wurde weiter zurückgerissen. Sie rutschte ab und sackte in die Hecken am Rande des Parkplatzes. Die Schnur schnitt sich immer tiefer in ihren Hals hinein. Ein lautloser Schrei drang aus ihrer Kehle. Ich brauche Luft, dachte sie verzweifelt und warf ihren Kopf zurück. Für einen Moment konnte sie den Mann sehen, der hinter ihr stand. Sie erkannte ihn sofort. Er war im Burger Point gewesen. Seine sonderbare Art, die ängstliche und verzweifelte Annäherung. Sie konnte sich an alles erinnern. Er hatte immer wieder dagesessen und sie angestarrt. Er hatte nur bei ihr bestellt, und immer nur einen Kaffee. Die Kolleginnen hatten bereits Witze gemacht, und dann war er plötzlich nicht mehr aufgetaucht.
Der Mann zog die Schnur noch enger. Sie spürte das heiße Blut, das an ihrem Hals hinunterlief. Und da wurde ihr klar, daß alles eine Illusion gewesen war. Ihre ganze Hoffnung, eine einzige Illusion. Es gab keinen Neubeginn für sie. Nirgends wartete ein Leben, in dem sie glücklich sein konnte. Es war aus.
Ihr Mantel verfing sich in der Hecke, die Äste rissen ein großes Loch hinein. Dann spürte sie den kalten Asphalt auf ihrer nackten Haut.
Anna raste mit dem Streifenwagen durch die Alexanderstraße. Sie hatte die Jannowitzbrücke fast erreicht, als sie abgelenkt wurde. Es war eine Bewegung auf den Parkplätzen, die sie aus den Augenwinkeln bemerkt hatte. Kaum mehr als ein Schatten.
Instinktiv bremste sie ab. Der Wagen drohte ins Schleudern zu geraten, doch sie brachte ihn auf der mehrspurigen und ausgestorbenen Straße zum Stehen. Sie sah sich um. Der Bremsweg hatte gute hundert Meter betragen. Es lag zu weit zurück, sie konnte nichts erkennen. Dennoch: Es war die gleiche Stelle, an der Bettina überwältigt und ermordet worden war. Es ließ ihr keine Ruhe.
Sie schaltete den Rückwärtsgang ein, trat mit aller Kraft aufs Gas und jagte die Strecke zurück. Sekunden später bremste sie wieder ab.
Nun sah sie die Schatten deutlicher. Es hatte einen Überfall gegeben. Eine Gestalt lag reglos auf dem kalten Asphalt. Jemand hatte sich über sie gebeugt und stand mit dem Rükken zur Straße. Anna konnte nur seinen Mantel und die Wollmütze erkennen. Der Mann zerrte an seinem Opfer und drehte es auf die Seite.
Anna erstarrte. Sie hörte, wie ihr Herz das Blut durch die Schlagadern pumpte. Schweiß brach ihr aus, sie bekam keine Luft mehr. Du mußt professionell sein, rief eine Stimme in ihr.
Mit einer schnellen Bewegung stieß sie die Tür auf und sprang auf die Straße. Es ist Ute, schoß es ihr durch den Kopf. Verdammt, es ist Ute! Bleib ruhig! Du mußt jetzt ruhig bleiben. Dann rannte sie los. Sie hörte ihr Herz, den gleichmäßigen Atem, das knarzende Leder ihrer Uniformjacke.
Es waren noch fünfzig Meter. Der Mann schaute
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