Fundort Jannowitzbrücke
nicht gefaßt hat. Die Beamten wollen nun ein Auge auf den Laden halten.«
»Und was hat das mit mir zu tun?«
»Du sollst dich nur bei ihnen abmelden. Sie wollen nicht, daß eines der Mädchen alleine hinausläuft.«
Ute nickte und verabschiedete sich von ihrer Chefin.
Als sie sich noch einmal umdrehte, bemerkte sie, daß Frau Rintow ihr versonnen nachsah. Ute zog die Stirn kraus, und ihre Chefin wandte sich schnell ab.
Das Mädchen zögerte, dann trat es an den Tisch zu den Kripobeamten.
»Ich werde jetzt nach Hause gehen«, sagte sie. »Ich habe freibekommen.«
»Warten Sie eine Sekunde«, sagte einer der Männer. »Wir rufen einen Streifenwagen. Die Schutzpolizei wird Sie nach Hause bringen.«
»Das ist nicht nötig«, sagte Ute. »Ich fahre mit der U-Bahn. Es sind nur die fünfzig Meter bis zur Station. Auf der kurzen Strecke wird mir schon nichts passieren können.«
Die Männer wechselten einen Blick. »Also gut«, sagte der Mann. »Aber ich werde Sie zumindest bis zur U-Bahn bringen. Nur zur Sicherheit.«
Er stand auf und nahm seinen Mantel. Gemeinsam verließen sie den Burger Point. Auf dem Alexanderplatz blies ihnen ein kalter Wind ins Gesicht. Ute atmete tief durch. Sie genoß die wohltuende Kühle auf der Haut.
»In fünf Minuten könnte ein Streifenwagen hiersein«, sagte der Kommissar. »Es wäre kein Umstand, ihn zu rufen.«
»Es macht mir wirklich nichts aus«, sagte Ute. »Ich muß nur drei Stationen mit der U-Bahn fahren, dann bin ich zu Hause.«
Er nickte, und sie gingen schweigend über den Platz. Nach einigen Metern räusperte sich der Kommissar. Offenbar wurde ihm die Gesprächspause unangenehm.
»Arbeiten Sie gern im Burger Point?« fragte er.
Ute mußte über die Frage lächeln. »Ja, ganz gern. Aber ich werde dennoch in einem Monat kündigen.«
Der Kommissar schien dankbar zu sein über diesen Gesprächseinstieg. »Wollen Sie etwas anderes machen?« fragte er sie aufmunternd.
»Ich beteilige mich nächsten Monat an dem Aufnahmeverfahren für einen Ausbildungsplatz.«
»In welcher Branche?«
»Bei der Polizei. Im Mittleren Dienst.«
Dieser wildfremde Mann neben ihr war der erste, dem sie es sagte. Bislang hatte nur Anna von ihren Plänen gewußt. Doch jetzt sprach sie es zum ersten Mal laut aus. Sie spürte eine Welle der Begeisterung in sich aufsteigen. Ihr war, als hätte sie allein durch diese Bemerkung ihr Leben in eine neue Bahn gelenkt. Sie hatte unwiderrufbar einen anderen Weg eingeschlagen. Ab morgen würde sie es allen erzählen können. Es stand nun fest.
»Bei der Polizei!« sagte der Mann überrascht.
»Genau. Bei der Schutzpolizei.« Ute konnte sich kaum bremsen. »Ich bereite mich gut auf die Prüfungen vor. Und ich werde sie bestehen, ich bin mir ganz sicher.«
»Polizistin ist ein anstrengender Beruf.«
Sie sah ihn an und nickte. »Glauben Sie mir, das weiß ich.«
Sie hatten den Eingang zur U-Bahn erreicht. Ute überlegte, ob sie dem Mann weiterhin seine höflichen Fragen beantworten sollte. Doch sie hatte keine Lust mehr. Also verabschiedete sie sich und ließ ihn an der Treppe stehen.
Ihre Euphorie hielt auch noch an, als sie den Bahnsteig erreicht hatte. Sie setzte sich mit glühenden Wangen auf eine Bank. Ihr Leben würde sich nun ändern, dachte sie. Sie würde es allen zeigen.
Als die U-Bahn in die Station einfuhr, stand sie auf und strich sich über den Mantel. Erst da bemerkte sie, daß sie ihr Portemonnaie nicht bei sich trug. Die Manteltasche war leer. Das Geld mußte samt U-Bahnkarte auf ihrem Küchentisch liegen.
Der Triebwagen zischte laut, und die Türen öffneten sich. Sie zögerte, dann entschied sie, zu Fuß zu gehen. Die frische Luft würde ihr guttun. Die Türen schlossen sich, und die U-Bahn fuhr an. Ute ging zu den Treppen und stieg hinauf auf den Alexanderplatz.
Ein kalter Windhauch erfaßte sie. Sie knöpfte ihren Mantel zu und bog in die Alexanderstraße ein. So lang wird der Heimweg nicht sein, sagte sie sich. Am Ende der Straße konnte sie bereits die Lichter der Jannowitzbrücke sehen.
Anna lief ruhelos im Büro auf und ab. Eine düstere Vorahnung hatte von ihr Besitz ergriffen. Es war, als würde sie das Unheil kommen sehen, als stünde es unmittelbar bevor.
Du bist überspannt, sagte sie sich. Ihre Reaktion auf das
Opferprofil und die Überlegungen der Beamten mußte auf die beiden nahezu hysterisch gewirkt haben. Dennoch gelang es ihr nicht, Ruhe zu bewahren.
Hauptkommissar Herzberger hatte sich über das Telefon
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