Fundort Jannowitzbrücke
wach. Gesichter aus der Runde waren ihm fragend zugewandt. Er blickte zu Wolfgang hinüber, der ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen fixierte. Michael blieb nichts anderes übrig, er mußte reagieren.
»Alles klar«, sagte er. »Ich fange gleich damit an.«
Er war überrascht, wie wach und frisch sich seine Stimme anhörte.
Er wurde totenstill in dem Raum. Jetzt starrten ihn alle an. Ein Kommissarsanwärter lehnte sich zu ihm hinüber.
»Ob Barbara Nowack Angaben zur Kleidung des Täters gemacht hat«, flüsterte er.
Michael spürte das Blut in seinen Kopf schießen. »Sie hat nur einen Schatten weglaufen sehen«, stotterte er. »Außer einer dunklen Wollmütze und einem schwarzen Mantel hat sie nichts erkennen können.«
Wolfgang sah ihn lange an. Dann wandte er sich ab und hakte den letzten Punkt auf dem Flipchart ab.
»Gut«, sagte er. »Ich bitte alle Teams, mit der Arbeit zu beginnen.«
Er zögerte. »Michael wird nicht hinausfahren, Klaus wird seinen Job übernehmen. Du, Michael, gehst statt dessen in den Innendienst und nimmst Hinweise aus der Bevölkerung entgegen.«
Er beugte sich über das Pult und legte seine Unterlagen zusammen. Die Sitzung schien beendet. Doch in diesem Moment schlug Wolfgang zur Verwunderung aller mit der Faust auf das Pult.
»Verdammt noch mal!« rief er ungehalten. »Wie viele Mädchen müssen denn noch umgebracht werden, damit hier ein wenig Ernsthaftigkeit entsteht! Wenn wir nicht konzentriert sind und zusammenhalten, dann werden wir ihm niemals das Handwerk legen.«
14
Die Morgensonne stand blutrot über den Dächern der Stadt. Die Luft war mild, der Frühling würde nicht mehr lange auf sich warten lassen. Auf dem Balkon vor ihrem Fenster konnte Barbara bereits die ersten Knospen der Hyazinthen sehen.
Sie war schon seit Stunden auf. In der Nacht hatte sie kaum geschlafen. Immer wieder wachte sie auf und wälzte sich im Bett umher. Dann zählte sie die Stunden, bis der neue Tag heraufzog. Der Tag, an dem sie aufbrechen und Bettinas Mörder stellen würde.
Sie sah zum Küchentisch hinüber, auf dem eine Plastikkarte lag. Sie war das einzige, was sie aus der Geldbörse des Mörders hatte retten können. Sie hatte die Karte in ihre Manteltasche gleiten lassen, bevor die Polizei ihr die Brieftasche abnehmen konnte. Es war niemandem aufgefallen. Sie waren alle zu beschäftigt gewesen.
Die Karte war klein und blau und trug das Logo des Berliner Videorings. Eine Nummer war aufgedruckt, ein Name stand nicht auf der Karte. Doch sie würde ihn herausbekommen. Da war sie sich ganz sicher.
Sie nahm die Plastikkarte und hielt sie gegen das Licht. In wenigen Stunden würde sie den Mörder kennen. Ein sonderbares Hochgefühl breitete sich in ihr aus. Sie legte die Karte zurück auf den Tisch und ging in ihr Schlafzimmer. Mit einer schnellen Bewegung faßte sie unter das Kopfkissen und zog ein Paket hervor. Es lag dort seit dem Nachmittag, an dem sie es am Kottbusser Tor erhalten hatte.
Sie riß die Lasche auf und zog den harten Gegenstand heraus, der in Füllstoff gebettet war. Es war eine Pistole. Genau das Modell, das sie bestellt hatte. Nachdenklich strich sie über das kalte Metall.
Sie sah auf die Uhr, es war kurz nach acht. Noch eine Dreiviertelstunde, dachte sie. Dann öffneten die Filialen des Berliner Videorings. Sie lud Munition in die Waffe und steckte sie in ihre Handtasche. Dann stand sie auf und holte ihren Mantel.
In diesem Moment klingelte es. Sie erstarrte. War es möglich, daß ihr Plan entdeckt worden war? Doch niemand konnte davon wissen. Sie war sich ganz sicher.
Sie drückte auf den Türöffner und trat in den Flur hinaus. Es war ihre Mutter. Barbara erstarrte.
Irmgard Nowack blieb auf dem Absatz stehen und lächelte sie unsicher an.
»Hallo, Barbara«, sagte sie.
Es war das erste Mal, daß sie sie in der Richterstraße besuchte. Barbara zögerte, sie war verwirrt. Doch dann bat sie ihre Mutter einzutreten.
Vorsichtig sah sich die Frau in der Wohnung um, als habe sie Angst, in die Intimsphäre ihrer Tochter einzudringen. Schließlich aber setzte sie sich an den Küchentisch.
»Die Polizei hat mir erzählt, was du getan hast.«
Barbara nickte und ließ sich ebenfalls am Küchentisch nieder.
»Ich hatte gedacht, daß dir der Tod von Bettina egal sei«, sagte ihre Mutter.
Barbara wurde blaß. »Wie kannst du so etwas denken?« fragte sie heiser.
Irmgard Nowack schüttelte den Kopf. »Ich dachte, daß wir alle dir egal seien.«
Barbara lehnte sich
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