Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fundort Jannowitzbrücke

Fundort Jannowitzbrücke

Titel: Fundort Jannowitzbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
Vom Netzwerk:
schnell.
    »Ich weiß nicht«, sagte sie skeptisch. »Es ist wohl sehr an den Haaren herbeigezogen.«
    Doch Sonja war nicht mehr zu bremsen. »Erinnerst du dich nicht mehr? Er glaubte, Jacqueline müsse ihm dankbar sein, als er sich an sie herangemacht hat. Sie war schüchtern und häßlich. Er meinte freies Spiel zu haben. Die kann froh sein, einen abzukriegen, das hat er gesagt. Und weißt du noch, wie aggressiv er nach der Abfuhr reagiert hat? Jacqueline hatte richtig Angst.«
    »Trotzdem!« Mascha schüttelte den Kopf. »Diese paar Zeilen treffen auf tausend Männer zu.«
    »Aber die Polizei ist auf Hinweise angewiesen. Das steht hier drin.«
    »Also, ich bin mir nicht sicher«, sagte Mascha. »Die halten uns doch für hysterisch.« Sie nahm Sonja die Zeitung aus der Hand. »Wie hieß dieser Typ eigentlich noch?« fragte sie.
    Die junge Frau legte die Stirn in Falten. »Keine Ahnung«, sagte sie. »Ich habe es vergessen.«
    Sie wunderte sich, wie schnell die Dinge aus ihrem Leben verschwanden. Es war noch keine vier Jahre her, doch sie hatte bereits einen Teil der Namen und Gesichter vergessen, mit denen sie ihre Schulzeit zugebracht hatte.
    »Die Liste«, rief sie ihrer Freundin zu.
    Mascha kramte zwischen den Zeitungsschnipseln auf dem Couchtisch und zog die Adressenliste der ehemaligen Mitschüler hervor. Ihr Finger rutschte über die Zeilen, bis er plötzlich innehielt. »Da ist er!« Sie sah auf. »Ich weiß wieder, wie er heißt!«

15
    Die Türen des Besprechungsraums öffneten sich. Die Beamten strömten hinaus auf den Flur. Sie wirkten geschäftig und waren in lebhafte Diskussionen vertieft. Keiner schien Notiz von dem Fallanalytiker zu nehmen, der ihnen auf dem Flur entgegenkam.
    Gerhard Pohl blieb einen Moment stehen und sah ihnen nach, wie sie nach und nach im Treppenhaus verschwanden. Dann trat er durch die offene Tür in den Besprechungsraum. Die schwache Märzsonne begann bereits, den Raum unter dem Dach aufzuheizen. Es war stickig, die Luft verbraucht.
    Wolfgang Herzberger hielt sich als letzter im Raum auf. Er war über seine Unterlagen gebeugt und sortierte sie in eine Mappe. Es dauerte einen Moment, bis er Pohl bemerkte. Mit einem Lächeln bat er ihn hinein.
    Pohl nickte und setzte sich auf einen der leeren Stühle.
    »Wir stehen nicht sehr gut da, richtig?«
    Herzberger seufzte. »Nein. Wir stehen tatsächlich nicht sehr gut da.«
    »Haben wir Rückendeckung durch den General- und den Oberstaatsanwalt?«
    »Das schon. Aber eine bessere Figur machen wir dadurch auch nicht.« Er ließ sich auf einen Stuhl sinken. »Sie hatten recht«, sagte er. »Es war eine Verwechslung.«
    Der Fallanalytiker wehrte ab. »Ich habe selber nicht so recht daran geglaubt. Und dennoch sind Sie der Theorie sofort nachgegangen. Wir können uns da keine Vorwürfe machen.«
    »Trotzdem. Wir haben die ganze Zeit in die falsche Richtung ermittelt.«
    »Aber so etwas ist doch Teil der täglichen Polizeiarbeit«, sagte Pohl.
    Der Hauptkommissar schüttelte den Kopf. »Es gibt einen Unterschied. Dieses Mal haben wir dabei auf den Täter eingewirkt. Ohne ihn zu kennen, haben wir Druck auf ihn ausgeübt.«
    Pohl nickte, er hatte ebenfalls darüber nachgedacht.
    »Die Artikel in den Zeitungen«, sagte er. »Sie haben ihn tatsächlich unter Streß gesetzt.«
    »Das denke ich auch«, sagte Herzberger. »Plötzlich haben wir Augenzeugen, vernünftige Beweismittel, fast wäre er am Tatort gefaßt worden. Bei seiner sonst so akribischen Planung kann das nur bedeuten, daß er unter extremem Streß gehandelt hat.«
    »Er wollte seinen Fehler aus der Welt schaffen«, sagte Pohl. »Durch den Überfall auf das zweite Mädchen sollte seine Ordnung wiederhergestellt werden.«
    Herzberger dachte nach. »Mit unserer Strategie haben wir Öl ins Feuer gegossen«, sagte er schließlich. »Wir wollten den kleinen Rest Menschlichkeit in ihm ansprechen. Statt dessen haben wir ihn veranlaßt, einen weiteren Mord zu begehen.«
    Der Fallanalytiker hob die Hand. »Der Täter hätte es ohnehin noch einmal versucht.«
    »Die Frage ist nur, wieviel Zeit wir gehabt hätten«, sagte Herzberger. »Vielleicht hätten wir ihn erwischen können, bevor er das Mädchen ermordete.«
    Gerhard Pohl zog die Stirn in Falten. »Wo sollen diese Überlegungen hinführen?« fragte er kopfschüttelnd. »Endlich haben wir brauchbare Spuren und die Möglichkeit, zielgerichtet zu ermitteln. Erstmals gibt es eine echte Chance, den Täter zu finden. Bislang hatten wir nicht

Weitere Kostenlose Bücher