Fundort Jannowitzbrücke
in der Geldbörse trug das Datum seiner Entlassung.
Der Halter des grünen Fiesta hieß Tobias Wink. Er war ein Freund von Olaf, mit ihm hatte er auf der Baustelle gearbeitet. Irmgard Nowack hatte Michael in einem weiteren Gespräch erzählt, daß Olaf sich den Wagen jederzeit leihen konnte. Seit die beiden ihren Job verloren hatten, saß Tobias Wink offenbar nur noch zu Hause. Doch er hoffte auf neue Arbeit und wollte den Wagen so lange behalten. Ob Olaf sich diesen Wagen in der vergangenen Woche ebenfalls geliehen hatte, daran erinnerte sich Irmgard Nowack nicht mehr.
Michael bog in die Pankower Binzstraße ein und parkte unter einem Baum. Das vierstöckige Mietshaus, in dem Tobias Wink wohnte, war eines der wenigen Gebäude in der Straße, die noch nicht saniert waren. Grau und schmutzig stand es wie ein Fremdkörper in der Reihe hübsch hergerichteter Gründerzeitfassaden.
Olafs Freund wohnte im Hochparterre. Michael entdeckte seinen Namen auf dem Klingelbrett und läutete zweimal. Doch dann bemerkte er, daß die Eingangstür offen war, und trat in den dunklen Hausflur.
Tobias Wink stand bereits in der offenen Tür und erwartete ihn. Trotz seiner Größe wirkte der junge Mann außerordentlich verletzlich. Er war blaß und schmächtig, seine Haltung geduckt.
»Guten Tag, mein Name ist Schöne. Ich habe vor einer Stunde angerufen.«
Tobias Wink beäugte ihn neugierig. Dann trat er beiseite und ließ ihn in die spärlich möblierte Wohnung. Es war kalt. Michael warf einen kurzen Blick zum Kohleofen und fragte sich, wie lange Tobias schon nicht mehr heizte.
»Es geht um Ihren Freund Olaf Nowack«, sagte er und setzte sich an den Küchentisch.
Der junge Mann stand unschlüssig im Türrahmen. »Ich weiß nicht, ob ich Ihnen da weiterhelfen kann.«
»Aber Sie sind miteinander befreundet, oder?«
Tobias Wink zuckte mit den Schultern und setzte sich zu Michael an den Tisch.
»Wir kennen uns«, sagte er. »Er leiht sich ab und zu mein Auto. Ich brauche es ja nicht, seitdem ich keinen Job mehr habe.«
»Sie haben zusammen auf der Baustelle gearbeitet«, stellte Michael fest.
»Ja, das stimmt. Aber das war nur auf Zeit. Seitdem kennen wir uns jedenfalls.«
Michael sah den schmächtigen Mann nachdenklich an. Er konnte sich kaum vorstellen, daß sich dieser Grünling bei den Männern auf dem Bau behauptete.
»Und Sie sind arbeitslos?« fragte er.
Der junge Mann nickte. »Die Baubranche ist am Boden. Da ist nichts zu machen.«
»Aber Sie sind doch jung.«
Tobias seufzte. »Früher war es kein Problem. Da konntest du jede Woche einen neuen Job haben. Doch das hat sich gewaltig geändert.«
»Und die vielen Baustellen in Berlin?«
»Dort wird schwarz oder mit Ausländern gearbeitet«, sagte er. »Für mich ist da nichts zu holen.«
»Und was ist mit Schwarzarbeit?« schlug Michael vor. »Wäre das nicht eine Möglichkeit, zumindest fürs erste?«
Im selben Moment wurde ihm klar, daß er als Polizist gekommen war. Die Frage war völlig überflüssig gewesen. Tobias zuckte mit den Schultern und sah aus dem Fenster. Michael räusperte sich.
»Das Auto wollen Sie aber erst einmal behalten?« fragte
er.
Tobias nickte wieder. »Ja.«
»Wie gut kennen Sie Olaf Nowack?«
»Ich weiß nicht«, sagte er. »Er war immer fair zu mir. Auf der Baustelle und so.«
»Haben Sie auch nach der Arbeit etwas gemeinsam unternommen?«
»Nein, eher nicht.«
»Aber den Kontakt haben Sie dennoch über den Job hinaus behalten.«
»Er hat einige Wochen später hier angerufen«, sagte er. »Er wußte ja, daß ich das Auto nicht verkaufen wollte.«
Olaf hatte ihn also nur ausnutzen wollen, dachte Michael bitter. Er nickte, doch Tobias schien seinen Gedanken bereits gelesen zu haben.
»Wir haben dann öfter ein Bier zusammen getrunken«, sagte er. »Hier in der Wohnung. Es war nicht so, daß Olaf nur den Wagen geholt und wieder zurückgebracht hat.«
»Wann hat Olaf Nowack sich den Wagen das letzte Mal ausgeborgt?«
Tobias dachte kurz nach. »Das muß am Donnerstag gewesen sein. Donnerstagmittag.«
Michael horchte auf. Der Mord an Ute Schaum war Donnerstagnacht verübt worden.
»Wann hat er den Wagen wieder zurückgebracht?«
»Das weiß ich nicht«, sagte der junge Mann. »Ich habe bereits geschlafen. Er hat den Schlüssel in den Briefkasten geworfen.«
Ute Schaum hatte um kurz nach elf den Burger Point verlassen. Der Zeitpunkt ihres Todes war halb zwölf.
»Wissen Sie noch, wie spät Sie ins Bett gegangen sind?« fragte
Weitere Kostenlose Bücher