Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fundort Jannowitzbrücke

Fundort Jannowitzbrücke

Titel: Fundort Jannowitzbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
Vom Netzwerk:
ignorieren, nur weil du es unerquicklich findest?«
    »Schon gut, schon gut«, sagte Wolfgang. »Ihr könnt Olaf Nowack vernehmen. Aber geht dabei so vor, daß Irmgard Nowack nichts mitbekommt. Und haltet ihn nicht länger fest als notwendig. Er soll keinesfalls die Nacht in einer Zelle verbringen. Außerdem möchte ich, daß du vor der Vernehmung überprüfst, ob Olaf Nowack den Wagen zur Tatzeit tatsächlich gefahren ist.«
    Michael holte tief Luft, offenbar wollte er widersprechen.
    »Olaf Nowack ist unschuldig«, schnitt Wolfgang ihm das Wort ab. »Und wir sollten in der Familie nicht noch mehr Schaden anrichten.«
    Die Ampel sprang auf Grün, und Wolfgang schaltete mit der freien Hand in den ersten Gang.
    »Geht also zurückhaltend vor«, sagte er. »Tut mir den Gefallen.«
    Dann beendete er das Gespräch und fuhr über die Kreuzung. Es waren nur noch zweihundert Meter bis zu dem Wohnblock, er konnte ihn bereits sehen. Das Gebäude ragte achtzehn Stockwerke hoch in den Himmel und zog sich in einem breiten Band an der stark befahrenen Straße entlang.
    Wolfgang fand eine Parkbucht, stellte seinen Wagen ab und stieg aus. Die Wohnungen hatten breite Fensterfronten, er konnte überall hineinsehen. Die Leute standen am Bügelbrett, saßen vor den Fernsehern, hinter ihren Zeitungen.
    Er dachte an seine kleine Nichte, die solche Häuser über alles liebte. In seiner Straße gab es ebenfalls ein Wohnsilo mit einem Spielplatz davor. Nach Einbruch der Dunkelheit bettelte sie so lange, bis er nachgab und sich mit ihr auf den Spielplatz setzte. Die Wohnungen waren hell erleuchtet, und seine Nichte sah schweigend hinauf, während Wolfgang sich Geschichten über das Leben der Bewohner ausdachte und sie ihr erzählte.
    Nun fiel ihm auf, wie fröhlich und zufrieden die Menschen in diesen Erzählungen waren. Ganz anders als in der Wirklichkeit.
    Er drückte die Eingangstür auf und betrat das Haus. Anna Proschinski wohnte im zwölften Stock. Wolfgang hatte von ihrem Vorgesetzten erfahren, wie eng ihr Kontakt zu dem Opfer gewesen war. Es mußte ein furchtbarer Schlag für sie gewesen sein. Sie war daraufhin für ein paar Tage vom Dienst freigestellt worden.
    Er fuhr mit dem Fahrstuhl hinauf und trat auf den Flur. Vor ihrer Tür blieb er stehen. Aus dem Inneren der Wohnung war nichts zu hören. Er gab sich einen Ruck und drückte kräftig auf den Klingelknopf. Es dauerte einen Moment, bis die Polizistin in der Tür erschien.
    Sie sah müde aus. Zudem hatte sie sich offenbar seit Tagen nicht mehr gewaschen. Ihr Jogginganzug war ausgebeult, die Haare hingen ihr fettig ins Gesicht.
    »Herr Herzberger«, sagte Anna Proschinski überrascht.
    Sie trat einen Schritt zurück und ließ ihn in die Wohnung.
    »Entschuldigen Sie bitte, wie ich aussehe«, sagte sie. »Ich wußte nicht, daß Sie kommen.«
    »Ihr Dienststellenleiter sagte, ich solle einfach vorbeifahren. Sie wären zu Hause und würden sich über jeden Besuch freuen.«
    »Sie denken alle, daß ich alleine nicht zurechtkomme«, sagte sie. »Aber was soll’s. Kommen Sie doch herein.«
    Wolfgang sah sich im Inneren um. Es war sehr dunkel in der Wohnung. Anna Proschinski hatte die bodenlangen Vorhänge zugezogen, so daß kein Sonnenlicht hineindringen konnte. Er gewöhnte sich schnell an das Zwielicht.
    Ihm fiel die Sauberkeit auf. Wolfgang hatte geglaubt, daß die Räume in einem ähnlich verlotterten Zustand sein würden wie die Polizistin. Doch um ihn herum war alles geradezu penibel ordentlich.
    Anna Proschinski bot ihm einen Platz auf der Couch an und setzte sich ihm gegenüber. Wolfgang lächelte ihr zu. Er wartete, bis sie zur Ruhe gekommen war.
    »Wie geht es Ihnen?« fragte er.
    Sie zuckte mit den Schultern und schwieg.
    »Gibt es jemanden, der sich um Sie kümmert?«
    Sie versuchte ein Lächeln. »Die Kollegen schauen jeden Tag nach dem Rechten.«
    »Die Jungs vom Revier?«
    Sie nickte. »Zuerst wollten sie mir ihre Frauen vorbeischicken, doch ich habe gesagt, daß das nicht in Frage kommt. Also kommen sie nun selber. Sie bringen mir etwas zu essen, dann machen sie den Abwasch und räumen auf.«
    Sie deutete mit einer Handbewegung auf ihre Wohnung. »Heute morgen war Harald hier, der Kollege aus dem Innendienst. Erst ist er mit dem Staubsauger durch die Wohnung, dann hat er die Möbel gewischt und schließlich das Klo geputzt.«
    Sie sah ihn an und lächelte. »Ich bin halt eine der wenigen Frauen in der Dienststelle«, fügte sie hinzu.
    Sie lehnte sich müde zurück und

Weitere Kostenlose Bücher