Fundort Jannowitzbrücke
gehört‹.«
»Bettina war meine Schwester! Verdammte Scheiße, was denkt ihr eigentlich!«
Michael wartete. Olaf sackte in seinem Stuhl zusammen.
»Noch mal von vorne«, sagte Michael. »Wie spät haben Sie am Tatabend den Wagen von Tobias Wink zurück nach Pankow gebracht?«
Olaf stöhnte auf. »Um halb elf!«
»Herr Wink gibt an, daß es nach zwölf gewesen sein muß.«
»Diese halbe Portion bekommt doch sowieso nichts mit«, rief Olaf. »Der hat wahrscheinlich wieder besoffen vor dem Fernseher gepennt.«
»Er glaubt sich genau erinnern zu können.«
»Aber der ist um diese Uhrzeit immer stockbesoffen. Machen Sie mal einen Alkoholtest. Dann wissen Sie, wie zuverlässig seine Angaben sind.«
»Was haben Sie im Anschluß getan?« fragte Michael.
»Ich bin mit der U-Bahn zurück in die Stadt gefahren.«
»Sind Sie direkt nach Hause gefahren?«
»Nein, ich bin noch einen trinken gegangen.«
»Haben Sie sich mit einem Freund getroffen?« fragte er. »Gibt es Zeugen dafür?«
Der junge Mann stieß die Luft aus und schüttelte den Kopf. Mit einem Mal schien seine Wut verflogen zu sein. Er wirkte erschöpft.
»Nein«, sagte er. »Ich wollte einfach alleine sein.«
Michael konzentrierte sich. Olafs Zorn schien zumindest für den Augenblick verraucht. Ihm bot sich erstmals eine Chance.
»Gab es einen bestimmten Grund dafür, daß Sie ausgerechnet an diesem Abend allein sein wollten?«
»Nein«, sagte Olaf tonlos. »Ich wollte einfach nicht nach Hause gehen.« In seinen Augen lag eine große Müdigkeit. »Seit Bettinas Tod ist es zu Hause nicht mehr auszuhalten.«
Michael zögerte. Er war überrascht von dieser Wendung. Sie entfernte ihn jedoch von seinem Vernehmungsziel, und er überlegte, wie er den jungen Mann behutsam zur Tatzeit zurücklenken konnte.
Doch Olaf sprach einfach weiter.
»Mutter kommt nicht klar mit Bettinas Tod«, sagte er leise. »Sie sieht mich immer so an, als würde sie auf Hilfe warten. Aber was soll ich ihr denn sagen? Ich kann ihr doch auch nicht weiterhelfen.« Er starrte mit bleichem Gesicht auf die Tischplatte. »Es muß doch jeder selbst damit fertigwerden.«
Michael war sprachlos. Er sah über Olafs Kopf hinweg zu Anke, die hinter dem jungen Mann an der Wand lehnte. Dann schaltete er das Tonbandgerät aus und verließ den Raum.
17
Gerhard Pohl zog seinen Mantel über und ging den Flur entlang. Links und rechts sah er durch die offenen Türen in die Büros der Sonderkommission. Überall herrschte Betriebsamkeit, obwohl eigentlich Wochenende war. Und das im öffentlichen Dienst, dachte Pohl amüsiert.
Der letzte Raum vor dem Treppenhaus war das Büro Wolfgang Herzbergers. Auch seine Tür stand weit offen. Pohl blieb stehen und klopfte gegen den Türrahmen. Der Hauptkommissar sah überrascht von seinem Schreibtisch auf.
»Sie gehen schon?« fragte er.
»Es ist Samstagabend, kurz vor sechs«, erwiderte Pohl.
Herzberger sah kopfschüttelnd zur Uhr und zog eine Augenbraue hoch.
»Wie die Zeit vergeht, wenn man sich amüsiert.«
»Meine Frau wartet bereits auf mich«, sagte Pohl. »Wir gehen heute abend in die Oper.«
Der Hauptkommissar rieb sich müde die Schläfen. »Na, Sie Glücklicher. Was wird denn gegeben?«
»Aida. Ich war an der Reihe, das Stück auszuwählen.«
»Na, dann viel Spaß.« Wolfgang Herzberger gähnte.
»Ich habe fast ein schlechtes Gewissen.«
Herzberger machte eine wegwerfende Bewegung. »Was wollen Sie denn noch hier? Machen Sie sich einen schönen Abend, und schlafen Sie morgen ordentlich aus.«
Gerhard Pohl nickte lächelnd und wollte sich verabschieden. Doch dann fiel ihm noch etwas ein.
»Ich habe gesehen, Sie haben Olaf Nowack vernommen«, sagte er. »Halten Sie ihn für verdächtig?«
Herzberger brummte in sich hinein. »Ich halte niemanden für verdächtig.«
»Dem Protokoll zufolge war es aber eine Verdächtigenvernehmung.«
Der Hauptkommissar seufzte und legte seinen Bleistift aus der Hand.
»Das war unser Kommissar Schöne. Wenn der nicht gerade bei der Arbeit eingeschlafen ist, beißt er sich gerne an absurden Nebenschauplätzen fest.«
Der Hauptkommissar sah verärgert aus, doch schließlich schüttelte er den Kopf.
»Im Grunde hat er dieses Mal sogar recht«, sagte er zögerlich. »Die Vernehmung war angebracht und auch notwendig. Es ist vielmehr die Art, mit der er sich in bestimmte Dinge hineinsteigert. Diese Art und Weise macht mich manchmal rasend.«
Gerhard Pohl kannte nur wenige aus dem Ermittlungsteam
Weitere Kostenlose Bücher