Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Funke, Cornelia

Funke, Cornelia

Titel: Funke, Cornelia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rekkless
Vom Netzwerk:
Wasser gestemmt, die Zähne gebleckt. Loreley.
So viel schlimmer als das Lied. Die Wirklichkeit war immer schlimmer.
    Fuchs biss
fest in einen der schuppigen Arme, die Jacob gepackt hielten, doch die anderen
Loreley zerrten ihn über die Reling. Er verlor den Halt, sosehr er sich auch
wehrte, aber plötzlich hörte er einen Schuss, und eine der Nixen versank mit
zerschossener Stirn in dem trüben Wasser.
    Clara
stand hinter ihm und hielt die Pistole, die er ihr gegeben hatte. Sie erschoss
eine weitere Loreley, die versuchte, den Zwerg ins Wasser zu zerren. Der
Fährmann tötete zwei mit einem Messer, und Jacob selbst erschoss eine, die die
Krallen in Fuchs' Fell geschlagen hatte. Als die toten Leiber davontrieben,
wichen die anderen Loreley zurück und machten sich über ihresgleichen her.
    Clara ließ
bei dem Anblick die Pistole fallen. Sie verbarg das Gesicht in den Händen,
während Jacob und Valiant die scheuenden Pferde einfingen und der Fährmann das
wild schlingernde Boot auf den Anleger zusteuerte. Die Loreley schrien ihnen wütend
nach, aber ihre Stimmen klangen nur noch wie ein Schwarm keifender Möwen.
    Sie
schrien auch noch, als sie die Pferde ans Ufer führten. Und der Fährmann trat
Jacob in den Weg und hielt ihm die Hand hin. Valiant stieß ihn dafür so grob
zurück, dass er fast in den Fluss stolperte.
    »Ach, das
mit dem zweiten Taler hast du also gehört!«, fuhr er ihn an. »Wie wär's, wenn
du uns den ersten zurückgibst, oder lässt du dich immer dafür bezahlen, dass du
den Loreley ihr Abendessen besorgst?«
    »Was wollt
ihr, ich hab euch übergesetzt!«, gab der Fährmann zurück. »Die verfluchte Fee
hat sie ausgesetzt. Soll ich mir dadurch das Geschäft ruinieren lassen? Und
abgemacht ist abgemacht.«
    »Schon
gut«, sagte Jacob und zog einen weiteren Taler aus der Tasche. Sie waren am
anderen Ufer, das war alles, was zählte. »Gibt es sonst noch was, wovor wir uns
besser in Acht nehmen sollten?«
    Valiant
folgte dem Taler mit den Augen, bis er in den schmutzigen Taschen des
Fährmanns verschwand.
    »Hat der
Zwerg euch von den Drachen erzählt? Sie sind rot wie das Feuer, das sie speien,
und wenn sie über den Bergen kreisen, brennen tagelang die Hänge.«
    »Ja, die
Geschichte hab ich auch schon gehört.« Valiant warf Jacob einen vielsagenden
Blick zu. »Aber erzählt ihr euren Kindern nicht auch, dass an diesem Ufer noch
Riesen hausen? Abergläubisches Geschwätz.« Der Zwerg senkte die Stimme. »Soll
ich dir sagen, wo es tatsächlich Drachen gibt?«
    Der
Fährmann beugte sich neugierig zu ihm hinunter.
    »Ich hab
ihn mit eigenen Augen gesehen!«, rief Valiant ihm in das schwerhörige Ohr. »In
seinem Knochennest, nur zwei Meilen flussaufwärts, aber er war grün, und aus
seinem hässlichen Maul hing ein Bein, das genauso mager wie deine war! Beim
Teufel und all seinen goldenen Haaren, hab ich mir gesagt, ich möchte nicht in
Blenheim leben, sollte es dem Biest eines Tages einfallen, den Fluss
abwärtszufliegen!«
    Die Augen
des Fährmanns wurden so groß wie Jacobs Goldtaler. »Zwei Meilen?« Er blickte
besorgt den Fluss hinauf.
    »Ja,
vielleicht war es auch etwas weniger!« Valiant ließ ihm die schmutzigen
Ohrenpfropfen in die Hand fallen. »Viel Spaß auf der Rückfahrt.«
    »Keine
schlechte Geschichte!«, flüsterte Jacob, als der Zwerg sich auf seinen Esel
schwang. »Aber was sagst du, wenn ich dir erzähle, dass ich wirklich mal einen
Drachen gesehen habe?«
    »Dass du
ein Lügner bist«, gab Valiant mit gesenkter Stimme zurück.
    Hinter
ihnen schrien immer noch die Loreley, und Jacob bemerkte die Klauenspuren an
Claras Arm, als er ihr aufs Pferd half. Trotzdem fand sich in ihren Augen kein
Vorwurf, dass er sie zu der Überfahrt gedrängt hatte.
    »Was
riechst du?«, fragte er Fuchs.
    »Goyl«,
antwortete sie. »Nichts als Goyl. Als wäre die Luft aus ihnen gemacht.«
     
    33
     
    SO MÜDE
     
    Will
wollte schlafen. Nur schlafen und das Blut vergessen, all das Blut auf Jacobs
Brust. Er spürte die Zeit nicht mehr, ebenso wenig wie er die eigene Haut
spürte oder das eigene Herz. Sein toter Bruder. Das war das einzige Bild, was
den Weg in seine Träume fand. Und die Stimmen. Die eine rau. Die andere wie
Wasser. Kühles, dunkles Wasser.
    »Mach die
Augen auf«, sagte sie. Aber er konnte nicht. Er konnte nur schlafen. Auch wenn
das hieß, all das Blut zu sehen. Eine Hand strich ihm übers Gesicht. Nicht
steinern, sondern weich und kühl.
    »Wach auf,
Will.«
    Aber er
wollte erst

Weitere Kostenlose Bücher