Funke, Cornelia
wieder aufwachen, wenn er zurück war: in der anderen Welt, wo das
Blut auf Jacobs Brust ebenso nur ein Traum sein würde wie die Jadehaut und der
Fremde, der sich in ihm regte.
»Er war
bei Eurer Roten Schwester.«
Die Stimme
des Mörders. Will wollte ihm mit seinen neuen Krallen die Jaspishaut
aufschlitzen und ihn ebenso reglos daliegen sehen wie Jacob. Aber der Schlaf
hielt ihn gefangen und lähmte ihm die Glieder besser als jede Fessel.
»Wann?«
Zorn. Will spürte ihn wie ein Messer aus Eis. »Warum hast du ihn nicht
aufgehalten?«
»Wie? Ihr
habt mir nicht verraten, wie man an den Einhörnern vorbeikommt!« Hass. Wie
Feuer gegen das Eis. »Ihr seid mächtiger als Eure Schwester. Macht einfach
rückgängig, was sie mit ihm getan hat.«
»Es ist
ein Dornenzauber! Niemand kann ihn rückgängig machen. Ich habe gesehen, dass
er ein Mädchen bei sich hatte. Wo ist sie?«
»Ich hatte
keinen Befehl, sie herzubringen.«
Das
Mädchen. Wie hatte sie ausgesehen? Will wusste es nicht mehr. Das Blut hatte
ihr Gesicht fortgewaschen.
»Bring sie
mir! Das Leben deines Königs hängt davon ab.«
Will
spürte die Finger wieder auf dem Gesicht. So weich und kühl.
»Ein
Schild aus Jade. Aus dem Fleisch seiner Feinde.« Ihre Stimme strich ihm über
die Haut. »Meine Träume lügen nie.«
34
LERCHENWASSER
F ür eine Weile rührte sie Valiant sehr zielstrebig durch
die Nacht. Doch als die Hänge um sie her immer schroffer wurden und die Straße,
der sie vom Fluss aus gefolgt waren, sich in Schotter und Dornendickicht
verlor, zügelte der Zwerg den Esel und blickte sich ratlos um.
»Was?«,
fragte Jacob und ritt an seine Seite. »Sag nicht, du hast dich jetzt schon
verirrt.«
»Als ich
das letzte Mal hier war, war es helllichter Tag!«, gab Valiant gereizt zurück.
»Wie soll man einen verborgenen Eingang finden, wenn es dunkler ist als im
Hintern eines Riesen? Er muss ganz in der Nähe sein!
Jacob
stieg vom Pferd und drückte ihm die Taschenlampe in die Hand. »Hier!«, sagte
er. »Finde ihn. Und wenn möglich, noch diese Nacht.«
Der Zwerg
ließ den Strahl der Lampe ungläubig durch die Dunkelheit tasten. »Was ist das?
Ein Feenzauber?«
»So
ähnlich«, gab Jacob zurück.
Valiant
leuchtete einen Hang hinab, der sich zu ihrer Linken im Dickicht verlor. »Ich
könnte schwören, dass es da unten ist.«
Fuchs
blickte ihm misstrauisch nach, als er hinunterstiefelte.
»Geh mit
ihm«, sagte Jacob. »Sonst geht er noch verloren.«
Fuchs war
nicht begeistert von der Aufgabe, aber schließlich huschte sie dem Zwerg
hinterher.
Clara
stieg vom Pferd und band es an den nächsten Baum. Die Goldfäden auf ihrem Rock
schimmerten im Mondlicht noch stärker. Jacob pflückte ein paar Eichenblätter
und gab sie ihr.
»Reib sie
zwischen den Händen und streich über die Stickerei.«
Clara
gehorchte und die Fäden verblassten unter ihren Fingern, als hätte sie das
Gold von dem blauen Stoff gewischt.
»Elfengarn«,
sagte Jacob. »Wunderschön. Aber jeder Goyl würde dich schon auf Meilen
Entfernung sehen.«
Clara fuhr
sich durch das verräterisch helle Haar, als wollte sie es ebenso umfärben wie
das Kleid.
»Du willst
allein in die Festung gehen.«
»Ja.«
»Du wärst
tot, wenn du auf dem Fluss allein gewesen wärst! Lass mich mitkommen. Bitte.«
Aber Jacob
schüttelte den Kopf. »Es ist zu gefährlich. Will ist verloren, wenn dir etwas
passiert. Er wird dich bald wesentlich mehr brauchen als mich.«
»Wieso?«
Es war so kalt, dass der Atem ihr weiß vor den Lippen hing.
»Du wirst
ihn aufwecken müssen.«
»Aufwecken?«
Es dauerte
ein paar Augenblicke, bis sie begriff. »Die Rose ...«, flüsterte sie.
Und der Prinz beugte sich über sie und weckte sie mit einem Kuss.
Über ihnen
standen die Sicheln der zwei Monde so schmal am schwarzen Himmel, als wären sie
in der Nacht verhungert.
»Wieso
glaubst du, dass ich ihn wecken kann? Dein Bruder liebt mich nicht mehr!« Sie
gab sich Mühe, den Schmerz in ihrer Stimme zu verbergen.
Jacob zog
den Mantel aus, der ihn wie einen reichen Händler hatte aussehen lassen. Die
einzigen Menschen in der Festung waren Sklaven und sie trugen bestimmt keinen
Pelzbesatz am Kragen.
»Aber du
liebst ihn«, sagte er. »Das muss reichen.« Clara stand da und schwieg.
»Was, wenn
nicht?«, sagte sie schließlich. »Was, wenn es nicht reicht?«
Er musste
ihr nicht antworten. Sie erinnerten sich beide an das Schloss und die Toten
unter den Blättern.
»Wie lange
hat
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