Funke, Cornelia
Wunder, dass sie nicht allzu
beeindruckt von unseren Bauten sind. Und wann haben sie diese Brücken gebaut?«
»Was weiß
ich?«, gab Valiant mit gesenkter Stimme zurück. »Goylgeschichte wird an
Zwergenschulen nicht gelehrt. Der Palast ist angeblich mehr als siebenhundert
Jahre alt, aber ihr König plant eine modernere Version, weil er ihn zu altmodisch
findet. Die zwei Stalaktiten daneben sind Militärbaracken und Gefängnisse.«
Der Zwerg grinste Jacob verschlagen zu. »Willst du, dass ich für dich
herausfinde, in welchem dein Bruder steckt? Deine Goldtaler machen sicher auch
Goylzungen gesprächig. Aber natürlich kostet das auch für mich extra.«
Als Jacob
ihm zur Antwort zwei Goldtaler in die Hand drückte, konnte Valiant sich nicht
beherrschen. Er reckte sich hoch und schob Jacob die kurzen Finger in die
Manteltasche.
»Nichts!«,
murmelte er. »Gar nichts! Ist es der Mantel? Nein, bei dem anderen hat es auch
funktioniert! Wachsen sie dir zwischen den Fingern?«
»Genau«,
antwortete Jacob und zog die Hand des Zwergs aus der Tasche, bevor sie sich um
das Taschentuch schloss.
»Irgendwann
komm ich drauf!«, knurrte der Zwerg, während er das Gold in seinen samtenen
Taschen verschwinden ließ. »Und jetzt: Kopf runter. Gesenkter Blick. Du bist
ein Sklave.«
Die
Gassen, die das Häusermeer an den Höhlenwänden durchzogen, waren für Menschen
noch unzugänglicher als die Straßen von Terpevas. Oft ging es so steil hinauf,
dass Jacobs Füße hilflos abrutschten und er Halt an einem Türrahmen oder
Fenstersims suchen musste. Valiant dagegen bewegte sich in ihnen fast so zügig
wie ein Goyl. Die Haut der Menschen, denen sie begegneten, war grau vom Mangel
an Sonnenlicht, und vielen war der Buchstabe ihres Besitzers in die Stirn
gebrannt. Sie beachteten Jacob ebenso wenig wie die Goyl, die ihnen in dem
dämmrigen Häuserlabyrinth entgegenkamen. Der Zwerg an seiner Seite schien tatsächlich
Erklärung genug, und Valiant genoss es, ihn mit all dem zu beladen, was er in
den Geschäften erstand, in denen er verschwand, um etwas über Wills
Aufenthaltsort zu erfahren.
»Treffer!«,
raunte er endlich, nach dem er Jacob fast eine halbe Stunde vor der Werkstatt
eines Juweliers hatte warten lassen. »Gute und schlechte Nachrichten. Die gute
ist: Ich habe erfahren, was wir wissen wollen. Der Adjutant des Königs hat
einen Gefangenen in die Festung gebracht, nachdem ihn angeblich die Dunkle Fee
selbst hat suchen lassen. Bestimmt ist das unser Jaspis-Freund. Aber noch hat
sich nicht herumgesprochen, dass sein Gefangener eine Haut aus Jade hat.«
»Und was
ist die schlechte Nachricht?«
»Er ist im
Palast, in den Quartieren der Fee, und in einen tiefen Schlaf gefallen, aus
dem ihn keiner wecken kann. Ich nehme an, du weißt, was es damit auf sich hat?«
»Ja.«
Jacob blickte hinauf zu dem großen Stalaktiten.
»Vergiss
es!«, raunte der Zwerg ihm zu. »Dein Bruder könnte sich ebenso gut in Luft
aufgelöst haben. Die Zimmer der Fee sind in der äußersten Spitze. Du müsstest
dich durch den ganzen Palast kämpfen. Nicht einmal du bist verrückt genug, das
zu versuchen.«
Jacob
musterte die dunklen Fenster in der schimmernden Steinfassade.
»Kannst du
eine Audienz bei dem Offizier bekommen, mit dem du handelst?«
»Und
dann?« Valiant schüttelte spöttisch den Kopf. »Den Sklaven im Palast wird das
Zeichen des Königs auf die Stirn gebrannt. Selbst wenn deine brüderliche Liebe
groß genug ist, dir das zuzulegen - keinem von ihnen ist erlaubt, die obersten
Quartiere zu verlassen.«
»Was ist
mit einer der Brücken?«
»Was soll
damit sein?«
Zwei von
ihnen waren mit dem Palast verbunden. Die eine war eine Eisenbahnbrücke, die in
einem Tunnel im obersten Teil verschwand. Die zweite war eine der Häuserbrücken
und auf halber Höhe mit dem Stalaktiten verankert. Dort, wo sie auf den Palast
traf, war sie unbebaut und gab den Blick frei auf sein onyxschwarzes Tor und
eine Phalanx von Wachtposten.
»Der
Ausdruck auf deinem Gesicht gefällt mir nicht!«, knurrte Valiant.
Jacob
beachtete ihn nicht. Er musterte die eisernen Streben, die die Häuserbrücke
trugen. Auf die Entfernung sahen sie so aus, als wären sie nachträglich
angebracht worden, um eine alte Steinkonstruktion zu stützen. Sie krallten sich
wie Metallklauen in die Seite des hängenden Palastes.
Jacob
suchte Deckung in einem Hauseingang und richtete das Fernglas auf den
Stalaktiten. »Die Fenster sind nicht vergittert«, flüsterte
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