Funke, Cornelia
Schwärme von Fledermäusen auf, die von der Decke hingen.
Sie hatten
die Brücke erst zur Hälfte überquert, als Valiant so abrupt stehen blieb, dass
Jacob in ihn hineinstolperte. Der Tote, dessen Körper ihnen den Weg versperrte,
war kein Goyl, sondern ein Mensch. Auf seine Stirn war das Zeichen des Königs
tätowiert und an Brust und Kehle klafften Bisswunden.
»Einer der
Kriegsgefangenen, die sie als Sklaven nutzen.« Valiant starrte besorgt hinauf
zur Höhlendecke.
Jacob zog
die Pistole. »Was hat ihn getötet?«
Der Zwerg
leuchtete mit der Taschenlampe zwischen die Stalaktiten, die über ihnen von
der Decke hingen.
»Die
Wächter«, raunte er. »Sie züchten sie als Wachhunde für die äußeren Tunnel und
Straßen. Sie regen sich nur, wenn sie etwas anderes als Goyl wittern. Aber auf
dieser Route hatte ich noch nie Ärger mit ihnen! Warte!«
Valiant
ließ einen unterdrückten Fluch hören, als der Strahl der Taschenlampe eine
Reihe beunruhigend großer Löcher zwischen den Stalaktiten fand.
Ein
Zwitschern hallte durch die Stille. Scharf wie ein Warnruf.
»Renn!«
Der Zwerg sprang über den Toten und zerrte Jacob mit sich.
Die Luft
war plötzlich erfüllt vom Flattern ledriger Flügel. Die Wächter der Goyl
stießen wie Raubvögel zwischen den Stalaktiten hervor: bleiche,
menschenähnliche Kreaturen, mit Flügeln, die in scharfen Klauen endeten. Ihre
Augen waren milchig weiß wie die von Blinden, doch offenbar wiesen ihre Ohren
ihnen zuverlässig den Weg.
Jacob
tötete zwei im Flug, und Valiant erschoss einen, der sich mit den Flügeln in
Jacobs Rücken krallte, aber über ihnen krochen schon drei weitere aus den
Löchern. Der eine versuchte, Jacob die Pistole zu entreißen. Er stieß ihm den
Ellbogen in das blasse Gesicht und hieb ihm mit dem Säbel einen Flügel ab. Das
Geschöpf schrie so schrill auf, dass Jacob fürchtete, es würde Dutzende von
ihnen herbeirufen, doch zu ihrem Glück schien nicht jedes der Löcher bewohnt.
Die
Wächter waren plumpe Angreifer, aber am Ende der Brücke gelang es einem von
ihnen, den Zwerg zu Boden zu reißen. Er bleckte die Zähne schon nach Valiants
Kehle, als Jacob ihm den Säbel zwischen die Flügel stieß. Sein Gesicht glich
aus der Nähe dem eines menschlichen Embryos. Selbst der Körper hatte etwas
Kindliches, und Jacob wurde so übel, als hätte er noch nie getötet.
Sie
retteten sich mit zerbissenen Schultern und Armen in den nächsten Tunnel, aber
keine der Wunden war allzu tief, und Valiant war zu aufgebracht, um sich über
das Jod zu wundern, das Jacob ihm auf die Bisse träufelte.
»Ich
hoffe, dieser Goldbaum trägt viele Jahre«, knurrte er, während Jacob ihm die
Hand verband, »oder du hast jetzt schon Schulden bei mir!«
Draußen
kreisten immer noch zwei Wächter über der Brücke. Sie flogen ihnen nicht nach,
aber der Kampf mit ihnen war so anstrengend gewesen, dass Jacob das Atmen nur
noch schwerer fiel, und die dunklen Straßen wollten einfach nicht enden. Er
fragte sich gerade erschöpft, ob der Zwerg am Ende doch wieder ein schmutziges
Spiel spielte, als der Tunnel vor ihnen eine Biegung machte und sich am Ende
abrupt in Licht auflöste.
»Da ist
es!«, raunte Valiant ihm zu. »Das Nest der Bestien oder die Höhle der Löwen, je
nachdem, auf wessen Seite du stehst.«
Die Höhle,
in deren Felswand der Tunnel sich öffnete, hatte so gewaltige Ausmaße, dass
Jacob nicht erkennen konnte, wo sie endete. Unzählige Lampen verbreiteten das
spärliche Licht, das Goylaugen behagte, aber sie schienen von Elektrizität
statt von Gas betrieben und beleuchteten eine Stadt, die aussah, als hätte der
Stein selbst sie hervorgebracht. Häuser, Türme und Paläste wuchsen vom Boden
der Höhle und an ihren Wänden hinauf wie die Waben eines Wespennestes, und
Dutzende eiserner Brücken spannten sich über das Häusermeer, als sei es ein
Leichtes, Eisen durch die Luft zu bauen. Ihre Pfeiler wuchsen wie Bäume zwischen
den Dächern empor, und einige wurden wie mittelalterliche Brücken in der
anderen Welt von Häusern gesäumt, schwebende Gassen unter einem Himmel aus
Sandstein. Sie glichen dem eisernen Netz einer Spinne, aber Jacobs Blick
wanderte höher, hinauf zu der Höhlendecke, von der drei gigantische Stalaktiten
hingen. Der größte war gespickt mit Türmen aus Kristall, die wie Speere nach
unten wiesen, und seine Mauern leuchteten, als wären sie mit dem Mondlicht der
oberen Welt getränkt.
»Ist das
der Palast?«, raunte Jacob dem Zwerg zu. »Kein
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