Funkelnde Leidenschaft
gingen in den Salon, wo er erschöpft auf das brokatbezogene Sofa sank. Rose servierte ihm einen Brandy. »Noch einen?« fragte sie, nachdem er das Glas in einem Zug geleert hatte.
»Ja, bitte …« Langsam richtete er sich auf. »Tut mir leid, Rose, ich bin ein miserabler Gesellschafter.«
»Jeder ist mal mißgelaunt«, erwiderte sie mitfühlend und schenkte ihm noch einen Brandy ein.
»Mißgelaunt?« Lachend schüttelte er den Kopf. »O Rose, ich bewundere deinen unverwüstlichen Optimismus.« Das ist wahrlich milde ausgedrückt, dachte er und trank einen Schluck, auf den betrogenen Indianerhäuptling, der vor lauter Liebe seine Pflicht vergessen hatte …
An diesem Vormittag leerte er fast die ganze Flasche. Aber der Alkohol verscheuchte weder die Erinnerung noch die unbeantworteten Fragen – oder den Zorn.
33
In der dritten Woche seiner Genesung konnte er zum ersten Mal die Finger des verletzten Arms bewegen, ohne daß ihm der kalte Schweiß ausbrach.
Am selben Tag sprang eine wütende Millicent Braddock im Bostoner Büro des Anwalts Curtis Adams auf, wo soeben das Testament ihres verstorbenen Ehemanns verlesen worden war. »Das muß ein Irrtum sein!«
Curtis Adams, der zu den engsten Freunden des Colonels gezählt hatte, wußte sehr gut, daß kein Irrtum vorlag. Und die Umstände von Billys Tod, zusammen mit der Anwesenheit von Millicents neuem ›Cousin‹ schienen Braddocks Einschätzung seiner Frau zu bestätigen. Natürlich würde sie nicht mittellos auf der Straße landen. Sie durfte in dem Haus an der Beacon Street wohnen, so lange sie wollte, und sollte ein ausreichendes monatliches Einkommen beziehen.
»Dieses Testament werde ich anfechten«, verkündete sie erbost.
Seelenruhig faltete Curtis seine Hände auf der polierten Schreibtischplatte. »Das wird Ihnen nichts nützen.«
»Oh, ich finde sicher einen Anwalt, der einen anderen Standpunkt vertritt.«
»Ganz wie Sie meinen«, entgegnete er höflich und wandte sich Blaze zu. »Werden Sie in der Beacon Street bleiben?«
»Nicht mehr lange. Ich fahre nach Montana zurück.« Unter ihren glanzlosen Augen lagen violette Schatten, und das schwarze Seidenkleid betonte ihre Blässe.
»Das ist doch lächerlich!« protestierte Millicent. »Schlag dir diese alberne Idee aus dem Kopf! Du bleibst in Boston, wo du hingehörst.«
»O nein, ich werde tun, was mir beliebt, Mutter.«
»Nun, das werden wir ja dann sehen.« Unverhohlener Haß funkelte in Millicents Augen, und ihre Tochter zuckte erschrocken zusammen. »Du verdammtes kleines Biest …«
»Bitte, Millicent, nimm dich zusammen.« Yancys Stimme klang sanft. Aber seine Augen glitzerten wie Eis. »Sie ist ein bißchen durcheinander«, erklärte er dem Anwalt und ergriff ihre Hand. Nur mühsam bändigte er seinen eigenen Zorn. So nahe war er am Ziel gewesen – zweiundzwanzig Millionen Dollar … Und nun sollte Blaze alles bekommen. Wahrscheinlich hatte sie's schon die ganze Zeit gewußt, denn sie wirkte kein bißchen überrascht.
Plötzlich kam ihm eine brillante Idee. Er entschuldigte sich bei Curtis Adams und führte Millicent aus dem Büro, ehe sie noch größeren Schaden anrichten konnte.
Da Blaze einige Papiere unterzeichnen mußte, blieb sie noch eine Weile am Schreibtisch sitzen. Zum ersten Mal bangte sie ernsthaft um ihr Baby. Wozu wäre ihre Mutter fähig? In ihrem blinden Haß würde sie vermutlich vor nichts zurückschrecken.
Als Blaze in die Beacon Street zurückkehrte, folgte Yancy ihr heimlich bis zu ihrer Zimmertür und sperrte sie ein. Millicent beorderte unterdessen Hannah in den Salon. An diesem Nachmittag hatten die anderen Dienstboten frei, zu Ehren des toten Colonels.
Gemeinsam erklärten Millicent und Yancy der verwunderten Hannah, Venetia habe an der Testamentseröffnung teilgenommen. Dann sei sie sofort nach Montana gefahren, und deshalb brauche sie ihre Zofe nicht mehr.
Hannah protestierte zunächst. »Das kann ich kaum glauben. Miss Venetia würde nicht abreisen, ohne mir Bescheid zu geben.«
»In letzter Zeit war sie sehr deprimiert. Und sie konnte nur mehr an ihre Rückkehr nach Montana denken. Selbstverständlich sagte ich ihr, es sei unhöflich, einfach zu verschwinden, ohne sich von Ihnen zu verabschieden. Aber Sie kennen meine Tochter. Ungestüm und impulsiv, sogar in ihrer Trauer … Ihr Vater hat ihr das gesamte Vermögen hinterlassen, also ist sie völlig unabhängig.« Seufzend zog Millicent ein besticktes Taschentuch hervor und betupfte ihre Augen.
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