Funkelnde Leidenschaft
junges Mädchen mit zerzausten kupferroten Haaren an seinem Schlafzimmerfenster und schaute ins dichte, feuchte Dunkel hinaus. »Noch eine Nebelnacht«, klagte sie und ließ den schweren Spitzenvorhang vor die Scheiben fallen. »Morgen wird's wahrscheinlich wieder regnen, und ich kann nicht ausreiten.«
Die ältere Frau, die das Bett aufdeckte, ignorierte den abgrundtiefen Seufzer. »Setzen Sie sich, Miss Venetia, ich möchte Ihr Haar flechten.«
Auf bloßen Füßen überquerte das Mädchen den weiß-rosa Teppich und sank aufs Bett. »Verdammt, Hannah, wie lange soll ich noch auf meinen Morgenritt verzichten? Ich sterbe vor Langeweile!«
»Hüten Sie Ihre Zunge, Miss Venetia«, tadelte ihre einstige Kinderfrau, die nun als Zofe fungierte. »Wenn Ihre Mama so was hört, müssen Sie eine Woche lang ohne Abendessen ins Bett gehen.«
Aber diese Drohung beeindruckte Venetia nicht. Ihre weit auseinanderstehenden Augen, die wie klare Bergseen schimmerten, funkelten erbost, und sie zog einen Schmollmund. »Da ich sie sowieso nur zur Teestunde sehe, falls sie überhaupt daheim ist und keine Kopfschmerzen hat, wird sie nichts dergleichen hören. Und meinen Papa stört's kein bißchen, wenn ich manchmal fluche. Er sagt, daß man seinem Ärger irgendwie Luft machen muß. Weil ich ein Mädchen bin, habe ich keine andere Möglichkeit, mich auszutoben. Abgesehen von Mamas liebstem Zeitvertreib – einem endlosen Einkaufsbummel«, fügte sie bissig hinzu.
»So schlimm ist's ja gar nicht.« Seit Hannah das Mädchen betreute, war sie an diese kindischen Launen gewöhnt; wie immer bemühte sie sich, ihren Schützling zu besänftigen.
Venetia streckte sich auf der rosa Spitzendecke aus, die durchaus nicht zu ihrem roten Haar paßte. Diesen Aspekt hatte ihre gebieterische Mutter bei der Einrichtung des Zimmers nicht beachtet. »Doch, Hannah«, seufzte sie, »es ist schrecklich. In dieser Woche bin ich noch gar nicht ausgeritten. Die einzige Freude in meinem Leben wird mir mißgönnt. Regen, Regen, Nebel, Regen, Kälte – Tag für Tag …« Ein dritter Seufzer, laut und theatralisch, wehte durch den luxuriös möblierten Raum.
Es war eine typische Bostoner Winternacht, feucht und kühl. Auf den Straßen hüllten sich die Gaslampen in dichte Nebelschleier und verbreiteten ein unheimliches Licht.
An der Beacon Street, nicht weit vom Schlafzimmer der jungen Frau entfernt, die das Wetter beklagte, stand ein Haus im gotischen Stil. Nichts von der nächtlichen Kälte drang in den überheizten Gästeraum, wo ein schlanker, dunkelhäutiger Mann einer leidenschaftlich erregten Frau höchste Liebesfreuden schenkte. Fast qualvoll fachte er ihre Sinnenlust an, mit Händen und Lippen, mit seinem ganzen prachtvollen Körper. Sein drängender Hunger erschien ihr wild und barbarisch, und das Gefühl, er würde ihren Leib und ihre Seele völlig vereinnahmen, überwältigte sie.
Stöhnend paßte sie sich seinem betörenden Rhythmus an und grub die Fingernägel in seinen bronzebraunen Rücken. Das Gesicht an ihrem Hals, flüsterte er Liebesworte in einer fremden Sprache, die ihre Begierde noch steigerten. Als er behutsam in ihre zarte Schulter biß, erschauerte sie vor Entzücken. Auf dem Höhepunkt der Ekstase jagten heiße Wellen durch ihren Unterleib, so ungestüm wie der Regen, der gegen die Fensterscheiben prasselte. Hemmungslos schrie sie auf.
Der Mann warf einen Blick zur Tür und küßte die geöffneten Lippen, um den Schrei der verbotenen Liebe zu ersticken, den die Gäste im Erdgeschoß womöglich hören könnten. Erst danach stillte er sein eigenes Verlangen.
Später lag er auf dem Rücken und hielt sie im Arm. Gehörte sie zu jenen Frauen, die sich für Skalps interessierten? Vor vier Jahren war er nach Boston gekommen und sofort von der gehobenen Gesellschaft akzeptiert worden, da er ausreichendes Vermögen in Form einer Goldader besaß. Die Damen begegneten ihm voller Entsetzen, wie einem anmaßenden Stallburschen, der sich in den Salon wagte, oder sie zeigten unverhohlene erotische Gelüste. Und die letztere Sorte teilte sich in zwei weitere Kategorien: Entweder bekundeten die Frauen ihr Mitleid mit den gnadenlos verfolgten amerikanischen Ureinwohnern, oder sie wollten wissen, wie viele Skalps er schon erbeutet hatte.
Zarte Finger glitten über seine Brust und rissen ihn aus diesen Gedanken. In sanftem Ton stellte sie eine Frage, so langsam sprechend, als wäre er ein Kind von schlichtem Gemüt. »Hast – du – viele – Feinde
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