Funkelnde Leidenschaft
respektabler aussehen, wenn wir mit Venetia in den Osten zurückkehrten. Eine trauernde Mutter und Tochter, begleitet von einem Cousin dritten oder vierten Grades … Bringen nur wir beide den Sarg nach Boston, könnten die Leute reden. Venetias Anwesenheit wird aber alle Zweifel zerstreuen. Sobald der Nachlaß geregelt ist, schicken wir sie am besten nach Europa, mit einem bescheidenen regelmäßigen Einkommen. Und wenn sie störrisch ist …« Millicent zuckte die zierlichen, von roter Seide umrahmten Schultern. In ihrem Privatsalon trug sie keine Trauerkleidung. »Dann lassen wir uns eben etwas einfallen.«
»Offensichtlich hast du an alle Eventualitäten gedacht«, meinte er anerkennend. »Wir sollten deine Tochter möglichst bald aus den Klauen dieses Kerls befreien. Je länger wir warten, desto länger wird es dauern, bis wir nach Boston fahren und den Nachlaß klären können.«
»Sind deine Männer bereit?« fragte Millicent beiläufig.
»Selbstverständlich.«
»Und die beiden sind zurückgekommen?«
»Heute abend sah mein Späher Licht in der Hütte. Das hat er mir vor einer halben Stunde mitgeteilt.«
»Endlich!« seufzte sie. So lange schon mußte sie in Diamond City ausharren, und die primitiven Zustände widerten sie an. »Sie darf auf keinen Fall sterben. Der Tod meiner Tochter und meines Mannes würde mich gesellschaftlich ruinieren. Das verstehst du doch.«
»Gewiß.« Vor der Hochzeit wollte er alle ihre Wünsche erfüllen.
»Wird's lange dauern?«
»Morgen reisen wir ab – wenn alles gutgeht.«
»Schön. Ich habe bereits die entsprechenden Arrangements getroffen.«
»Wunderbar!« Yancys Augen funkelten. Morgen abend um diese Zeit würden sie bereits in der Überlandkutsche nach Salt Lake City sitzen und in knapp zwei Wochen – falls ihnen kein Mißgeschick widerfuhr – Boston erreichen. Dann konnte er den Wohlstand genießen, den er zeit seines Lebens ersehnt hatte.
Als er aufstand, hielt sie ihn zurück. »Noch etwas, Liebling. Ich will keine Einzelheiten über diesen Indianer hören.«
Nach Williams Tod hatte sie Yancy mühsam an näheren Erklärungen gehindert. Nur zu gern hätte er ihr von seinem raffinierten Plan erzählt, auf den er stolz sein durfte. Natürlich war Braddocks Reise in die Wildnis, wo Indianerattacken zum Alltag gehörten, hilfreich gewesen. Ned Gates und seine Truppe warteten auf einem Hügel außerhalb von Virginia City auf die Ankunft Braddocks und des Bannack-Führers. Mit ihren erstklassigen neuen Gewehren konnten sie den Colonel mühelos töten. Da in Stadtnähe niemand mit einem Überfall rechnete, stießen sie auf keine Gegenwehr. Der Indianer war nur verwundet worden und entkommen. Um ihn machte sich Yancy keine Sorgen. Der Mann würde wohl kaum Anklage erheben.
Zu Millicents Erleichterung hatte Yancy ihre Gefühle berücksichtigt und ihr alle unerquicklichen Details erspart. »Vergiß den Brief nicht«, mahnte sie und zeigte auf den Tisch. »Falls jemand Erkundigungen einzieht, soll der Eindruck entstehen, Venetia hätte Diamond City freiwillig verlassen.«
30
Am nächsten Morgen, nachdem Hazard in die Mine gegangen war, stürmte Yancys Schurkenarmee den Berghang – hundert Mann, bis an die Zähne mit Winchester-gewehren und Colts bewaffnet. Ein Blackfoot-Indianer, wie Yancy ein Todfeind Hazards, fungierte als Führer.
Weil die Attacke am hellichten Tag erfolgte, ohne Rücksicht auf Blazes Sicherheit, wurde Hazard überrumpelt. Niemals hätte er mit einer solchen Brutalität gerechnet, auch nicht nach Braddocks Tod. Er war sicher gewesen, die Geschäftsfreunde des Colonels oder zumindest seine Frau würden Blazes Leben nicht riskieren. Offenbar hatte er die Habgier des weißen Mannes unterschätzt.
Der Blackfoot erreichte die Hütte zuerst und erstickte Blazes Schreckensschrei. Schmerzhaft preßte er seine Hand auf ihren Mund, als sie Hazards Namen rief. Dann krachten hundert Gewehre, und sie fiel in Ohnmacht.
An einen kalten Felsen gelehnt, den linken Arm unterhalb des Ellbogens gebrochen, spähte Hazard durch den Schacht. Seltsame Nebel verschleierten seinen Blick, und er rieb sich mit einer blutigen Hand die Augen. Nun mußte er nachdenken. Viel Zeit hatte er nicht, denn der Schmerz kroch durch den Arm in sein Gehirn und drohte ihm die Besinnung zu rauben. Im Sonnenlicht am Mineneingang flammten Mündungsblitze auf – ein stetiges Feuer, wie eine irreale Höllenszene.
Als er den Kopf schüttelte, sah er etwas klarer. Nun wußte er
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