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Funkensommer

Funkensommer

Titel: Funkensommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Holzinger
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sich. Dass man von unten wieder nach oben fahren muss – und umgekehrt. Während die getreidelose Fahrt am Morgen mit Papa noch wunderbar geklappt hat, sind meine Nerven jetzt kurz vor dem Zerreißen. Es braucht unglaubliches Fingerspitzengefühl, um mit dem Monsteranhänger den Berg hochzukommen. Und das Ganze auch noch im Rekordtempo! Mir ist zum Heulen!!! Immer wenn ich mit einer Fuhre am Hof ankomme, wird Papas Gesicht nur noch röter vor Zorn, weil ich schon wieder mit der Zeit im Rückstand liege. Aber was soll ich machen … ich kann es einfach nicht besser!!!
    Und dann, kurz vor Mittag, passiert genau das, was ich schon die ganze Zeit befürchtet habe. Mitten am Berg, mit einer vollen Ladung Weizen hintendran – würge ich den Motor ab. Mist!!!
    Nun stehe ich da und weiß nicht weiter. Nochmal Mist!!!
    Den Motor anzulassen, traue ich mich nicht. Denn die Gefahr ist groß, dass der Traktor vom schwer beladenen Kipper mit seinen sieben Tonnen Weizen nach hinten gezogen wird, während ich den Motor starte. Ich würde das Gespann nicht mehr halten können. Es würde nach hinten rollen, den Abhang hinunter … und das wäre dann wirklich MIST!!! So richtig aber.
    Also hocke ich auf dem Traktor und zittere lieber vor mich hin, als den Zündschlüssel umzudrehen. Während ich fieberhaft überlege, was ich als Nächstes tun soll, gesellt sich zu den Schweißperlen auf meiner Stirn nun auch Angstschweiß hinzu. Blöderweise habe ich mein Handy nicht dabei. Sonst hätte ich Papa anrufen können. Oder Hans, der mit seinem Mähdrescher auch gerade außer Sichtweite ist. Also bleibt mir nichts anderes übrig, als abzusteigen und nach Hause zu laufen, um Hilfe zu holen. Als ich den Berg hochtrabe, wirbeln meine Füße die vertrocknete Erde auf dem Feldweg auf. Monoton zirpen die Grillen am Wegesrand. Die Mittagssonne knallt erbarmungslos herunter, während die Luft vor Erntestaub strotzt und sogar mir das Atmen schwer macht.
    Endlich oben angekommen, ist meine Laune auf dem Tiefpunkt. Besonders, als mich Raphael auf der Straße einholt. Quietschend bleibt er mit dem Auto neben mir stehen und kurbelt das Fenster ein kleines Stück hinunter. »Was ist los?«, will er wissen. »Ist etwas passiert?«
    Nach Luft ringend halte ich an. Während ich noch überlege, ob ich mich ihm anvertrauen soll, haben sich schon ein paar verzweifelte Tränen den Weg ins Freie erkämpft. Wütend wische ich mir übers staubverklebte Gesicht und plärre, bevor ich darüber nachdenken kann: »Ich habe den verdammten Traktor abgewürgt. Mitten am Berg. Und jetzt kann ich nicht mehr weg …«
    Raphael schaut mich irritiert an. »Warum? Ist etwas mit dem Motor?«
    »Nein! Ich trau mich einfach nicht, am Berg den Motor zu starten!«
    Mein Bruder kneift die Augen zusammen. »Bist du blöd, oder was? Du brauchst doch nur Gas zu geben!«, keift er aus dem klimaanlagengekühlten Auto heraus. »Das wirst du doch noch hinkriegen!«
    Ich sehe ihn verzweifelt an. »Aber wenn der Traktor nach hinten rollt …«
    »Dann gib einfach Gas!«, schreit er.
    »Ich kann aber nicht«, schreie ich zurück.
    Mein Bruder sieht mich abschätzig an. »Und was willst du jetzt machen?«
    »Hilfe holen. Was sonst!«
    Raphael schüttelt den Kopf. »Wie bescheuert bist du? Das wird ewig dauern. Hast du den Wetterbericht nicht gehört? Das Gewitter kommt näher. Und das Stroh muss auch noch heimgebracht werden. Das wird ohnehin knapp! Und du murkst wegen dem Berg herum?«
    »Dann lass mich zu dir ins Auto. So bin ich schneller!«
    Mein Bruder funkelt mich an. »Nein, du fährst jetzt mit dem Traktor nach Hause. Sofort. Hast du verstanden?!«
    »Spinnst du?«, zische ich und wische mir die Tränen aus dem Gesicht. »Du befiehlst mir gar nichts. Wer macht denn die ganze Arbeit am Hof? Wer fährt mit dem Monsterkipper in der Gegend herum? Oder bleibt von Partys zu Hause, weil die verdammten Schweine gefüttert werden müssen? Du nicht, oder?«
    Mein Bruder starrt mich an. Er kurbelt das Fenster hoch und drückt aufs Gas. Wie wild prescht das Auto nach vorn. Nach wenigen Metern lenkt er den Audi auf eine Einbuchtung am Straßenrand und stellt den Motor ab. Dann fliegt die Tür auf und er kommt auf mich zu.
    »Was hast du vor?«, frage ich, schon etwas kleinlauter.
    Als mein Bruder auf gleicher Höhe ist, knurrt er: »Na, was schon«, und biegt in den Feldweg ein.
    Mit einem Mal steigt Panik in mir auf. »Bist du verrückt geworden?«, rufe ich, als mir klar wird, was er vorhat.

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