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funny girl

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Titel: funny girl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony McCarten
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erzählte, dass die nächste Bühnennummer »ein klein wenig anders« sei und noch »ganz groß rauskommen« werde. Und zum Klang eines spärlichen Applauses, der bald erwartungsvollem Schweigen wich, stieß Azime die Schwingtür auf und schlängelte sich nach vorn zur Bühne, zwischen den Tischchen der Gäste hindurch, von denen keiner erfreut war, sie zu sehen, sondern in ihr nur eine unliebsame Unterbrechung ihrer eigenen, viel wichtigeren Gespräche sah.
    Doch als sie sich zu ihrem lärmenden Publikum umdrehte, wurde es auf einen Schlag mucksmäuschenstill.

15
    AZIME : Hallo. Ich heiße Azime. Einfach nur Azime.
    (Schweigen.)
    Hinter der Bühne des O2, in der Garderobe Nummer 2, saß Azime an einem Schminktisch, während ihr kleines Diktiergerät ihr die eigene Stimme vorspielte: Hallo. Ich heiße Azime. Einfach nur Azime…
    Sie hatte sich körperlich, solange sie nicht tatsächlich krank war, nie schlimmer gefühlt. Ihr Puls raste. Ihr war speiübel. Schwindlig. Und sie blähte ständig die Backen auf, um ihren Atem zu beruhigen. Noch nie hatte sie sich einem solchen Druck ausgesetzt, und wenn das nun das »ganz große« Ereignis war, von dem Deniz gesprochen hatte, dann sagte ihr Körper ihr – in arenagroßen Buchstaben –, dass das nicht das Richtige für sie war.
    Und gerade als sie sich zu fragen begann, wo Deniz so lange steckte, klopfte es an der Tür.
    Manny. Er wirkte ernst heute Abend, angespannt, und ging ganz in seiner Rolle als Mittler auf, als Bindeglied zwischen Künstler und Publikum. Er hatte sich in einen dunkelbraunen Tweedanzug geworfen und dazu eine rote Wollkrawatte umgebunden und sah selbst wie ein Komiker damit aus. »Alles okay? Du machst das gut. Wo ist die Burka?«
    »Ich hab sie dabei.«
    »Gut. Du haust die um. Ich freu mich für dich. Eine brandneue Komikerin, die sie lieben werden, vertrau mir. Sie werden dich lieben. Bleib einfach du selbst. Übrigens, wir sind ausverkauft. Knapp fünfzehntausend Leute. Okay?« Er zwinkerte ihr zu. »Ich seh dich, wenn du’s hinter dir hast.«
    Fünfzehntausend! Wie konnte sie als Quasiamateurin einer solchen Menge gegenübertreten und sie selbst und weiterhin entspannt bleiben? Sie wünschte sich ein Feuer, ein Erdbeben, eine Naturkatastrophe, alles, nur damit die Veranstaltung abgesagt, das Publikum aus dem Saal evakuiert werden musste, ein Fall von höherer Gewalt, an der niemand ihr die Schuld geben konnte. Sie verdiente keine 15   000 Zuschauer, war weder körperlich noch in puncto Material darauf vorbereitet. Waren ihre Witze überhaupt lustig?
    Es klopfte noch einmal. Deniz? Ein Inspizient, ein schwerer Mann mit müden Augen, der beinahe genauso gestresst wirkte wie sie.
    »Sorry, Schätzchen, in unserer Stargarderobe gibt es einen Stromausfall. Du wirst deine Garderobe teilen müssen.«
    »Star?« Scheiße. »Äh, okay. Klar, nichts dagegen. Wer ist es denn?«
    Und als sei das sein Stichwort, kam in diesem Moment Eddie Izzard herein. Der weltberühmte Comedian trug einen dreiviertellangen Herrenmantel, darunter jedoch ein Bustier. Ganz Transvestit, kamen unter dem Mantel Rock, Strümpfe und hohe Lederstiefel zum Vorschein. Das Haar war in blonden Strähnchen gefärbt und mit Gel wie leckende Flammen modelliert. Die Lippen leuchteten rotgeschminkt, und diese Lippen lächelten ihr kurz zu. Die Augen mit schwarzem Eyeliner umrahmt. Diese Augen schauten sie an, bevor ihr Besitzer klack-klack-klack auf hohen Absätzen zum Spiegel neben dem von Azime stakste. Er ließ sich auf seinen Hocker fallen und sagte, das sei doch lächerlich, einfach lächerlich. »Der Laden hier ist so gut wie neu! Neu! Ich brauche nur einen Spiegel und ein paar Lampen, und nicht mal das kriegen sie hin. So was passiert einem nur in England. Scheißengland. In Las Vegas passiert einem so was nie. Hier, da kriegt man nicht mal eine Schale Obst.«
    Dieser Mann, extrovertiert, ein Entertainer der Spitzenklasse, war in seiner Art ein Genie und zählte schon rund zehn Jahre zu Azimes Comedy-Helden, seit sie die Nummer kannte, in der er gesagt hatte, der Todesstern in Krieg der Sterne habe sicher auch eine Kantine, wo die Krieger des Bösen zu Mittag aßen und gewiss auch Darth Vader selbst sich dann und wann stärkte. Die Nummer, die daraus entstanden war, eine YouTube-Legende, hatte sie sich erst wenige Wochen zuvor zum hundertsten Mal angeschaut, als sie aus Furcht vor Attentätern, die womöglich im Dunkel vor ihrem Fenster lauerten, nicht schlafen konnte. Da hatte

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