Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
funny girl

funny girl

Titel: funny girl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony McCarten
Vom Netzwerk:
Lage, in der Azime jetzt war – keine Arbeit, keine Zukunft, kein Zuhause, gehasst, aber gleichzeitig ein klein wenig berühmt. »Willkommen im Unterhaltungsgeschäft«, sagte er zu ihr. Beide schauten auf ihre Handys. Keine neuen SMS .
    »Wärst du immer noch an mir als Manager interessiert?«
    »Halt den Mund.«
    »S chau, Azime, gestern Abend warst du noch ein Niemand, und jetzt bist du offiziell – of-fi-zi-ell, denn es stand schließlich in der Zeitung – die erste muslimische Bühnenkomikerin der Welt. Das gab’s noch nie. Du bist nicht eine von hundert, nicht eine von zehn, du bist einmalig. Nach diesem Artikel bist du umstritten, die Leute diskutieren über dich.«
    »Und bringen mich um.«
    »Ganz ruhig! Du bist auf dem Weg nach oben. Mehr braucht man nicht. Weltweit erste Pünktchen-Pünktchen-Pünktchen. Setz nach Belieben was ein. Mehr braucht man nicht, Mann. Das allein reicht. Weltweit erster Egalwas. Geschafft. Ein Star. Berühmt. Und du hast es geschafft. Boah.«
    »Berühmt? Für was? Fürs Anzetteln von Rassenkrawallen? Wer soll mich denn da engagieren? Die Hamas?«
    Dann klingelte ihr Handy. Sie warf einen Blick auf das Display. Ihr Bruder. Schließlich hörte das Klingeln wieder auf. »Kann ich ein paar Tage hierbleiben?«
    Im Haus Gevaş ließ Aristot das Handy seines Sohnes sinken. Verzweifelt schüttelte er den Kopf. Dann reichte er Zeki das Handy zurück und gab seinem Sohn einen Auftrag: »Finde Azime. Schau dich überall um. Gib nicht auf, bis du sie gefunden hast. Und dann bringst du sie zurück.«
    Zeki hatte verstanden; er war glücklich über diese verantwortungsvolle Aufgabe und ziemlich stolz darauf.
    Bald fiel die Haustür ins Schloss, und Aristot saß allein in seinem Wohnzimmer, in dem hervorragenden Ohrensessel mit geschwungenen Armlehnen und gedrechselten S-förmigen Beinen, ein Modell, das normalerweise für 600   Pfund gehandelt wurde, das er jetzt aber auf 350 hatte reduzieren müssen, damit er überhaupt etwas verkaufte.
    Eine lange Kette alter türkischer Sprichwörter ging ihm durch den Kopf. Der grüne Zweig biegt sich leicht. Nein, das passte nicht. Glut brennt da, wo sie fällt. Das schon eher. Glut brennt, wo sie fällt. Seine inzwischen verstorbene Mutter hatte immer in Sprichwörtern geredet. Ein Esel mag keinen Obstkompott. Wie sehr vermisste er seine Mutter – seinen Vater auch, der inzwischen ebenfalls tot war. Was ein Mensch mit sieben ist, das ist er auch mit siebzig. Wer wollte das bestreiten. Man erntet, was man gesät hat. Genau! Das traf ins Schwarze; er hatte Azime gezeugt, und es steckte mehr als nur ein klein wenig von ihm in ihr und umgekehrt. Aber was konnte man jetzt noch machen? Das Schaf, das sich von der Herde entfernt, frisst der Wolf. Sein Herz schlug schneller. Wo war seine Tochter, sein verirrtes Lamm? Wo? Er würde keine Ruhe finden, bis er sie wiederhatte. Er liebte sie. Kein Zweifel. Dem Hahn, der vor der Zeit kräht, schlägt man den Kopf ab! Seine Tochter musste den Wert des Schweigens begreifen. Er warf einen Blick auf seine Uhr. Zehn Minuten. Ob Zeki sie wohl schon gefunden hatte?
    LISBETH : Für die Reichen ist das Lachen ein Bonus, ein Extra, aber für die Armen ist es Nahrung, ist es Wasser, da ist es das Leben selbst. Comedy, das ist Oper für die Armen. Lachen? Das ist unser Fünfsternehotel, unser Trost, unsere Medizin, das ist unsere Droge… Eine Wiedergutmachung für dein armseliges Haus, dein schrottreifes Auto, deinen bescheuerten Freund, deinen Scheißjob, deine Scheißfrisur, dein Scheißland, die Scheißpickel in deinem Gesicht, das Scheißwetter. Wenn wir nicht immer wieder lachen könnten, würden wir uns die Pulsadern aufschneiden, ob wir nun psychisch krank sind oder nicht. So ist das.
    Kirsten dankte Lisbeth und wies noch einmal darauf hin, dass das Thema des Abends Armut sei und dass sie hoffte, alle hätten ihre Hausaufgaben gemacht.
    Als Nächstes rief sie den Mann im Rollstuhl auf und schob ihn über eine kleine Rampe hoch auf die Bühne. Dort drückte sie ihm das Mikrophon in die arthritischen Hände. Sein Strickhemd war zugeknöpft bis zum Hals, stellte Azime fest. An seinem Kinn sprossen aus einer Falte, der kein Rasiermesser beikommen konnte, die Bartstoppeln. Seine Augen wirkten wässrig wie bei einem Sterbenden, aber die Lachfalten um die Augen waren tief und echt.
    ALTER MANN IM ROLLSTUHL : Ist Ihnen das auch schon passiert? Immer wenn ich pleite bin, gehe ich zum Geldautomaten und lasse mir den

Weitere Kostenlose Bücher