funny girl
das ist, wie wenn man ein Motorrad kauft. Beim Kauf schaut man nur aufs Aussehen, doch was später zählt, sind Zuverlässigkeit, Sparsamkeit im Verbrauch und der Komfort. Wird von mir also erwartet, dass ich meinen Ehemann danach aussuche, wie viel Treibstoff er verbraucht und ob ich weich auf ihm sitze?«
Emin brüllte vor Lachen, mit offenem Mund, warf den Kopf in den Nacken: Nase, Stirn, ja sogar die Ohren schienen mitzulachen.
»Wow. Du bist echt witzig !«, japste er. »Du bist so witzig! Einfach klasse.«
Überrascht über diese neuerliche Bestätigung ihres Talentes, konnte sie ihn nur anstarren. Aber zeigen wollte sie diese Überraschung nicht.
Emin blickte über ihre Schulter. »Er geht.«
Als Azime sich umdrehte, sah sie den echten Ehekandidaten mit eiligen Schritten den Raum durchqueren und durch die Glastür auf die Straße treten. Dort blieb er stehen, um vor dem Fenster seine Jacke zurechtzuziehen, kaum einen Schritt von der Stelle entfernt, wo sie saß, so dass sie ihren Beinahe-Ehemann jetzt ganz aus der Nähe studieren konnte: ein Mann über fünfzig, vermutlich Witwer, aus einfachen Verhältnissen, der billigen Lederjacke nach zu urteilen, deren Reißverschluss er zum Schutz gegen die Kälte nun bis zum Kinn hochzog. Ein dicker Saddam-Hussein-Schnurrbart wölbte sich über die volle, leicht herabhängende Unterlippe. Azime stützte das Kinn in die Hände. Anscheinend eine Seele von Mensch. Plötzlich hatte sie das Gefühl, dass sie hier einen Mann mit einem guten Herzen vor sich hatte, jemanden, der ebenfalls bereit war, sich mit dem Bodensatz zufriedenzugeben.
»Ich bin ein schrecklicher Mensch.«
Emin winkte ihm nach. »Weg ist er. Adieu, Misjö.«
Azime nahm die Hände vom Gesicht. Der junge Mann sah dem Heiratskandidaten nach. Sie selbst blickte jetzt nur noch den jungen Mann an, in dessen Augen sie sich endlich ihr eigenes, weitaus älteres Spiegelbild vorstellen konnte, eine glückliche alte Frau, in deren eigenen Augen noch immer die Flamme der alten Leidenschaft loderte.
Als sie wenig später wieder zu Hause ankam, war ihr Vater außer sich vor Zorn und Verwirrung und stellte sie zur Rede. Er wollte ihr erzählen, was er gerade erlebt hatte. Sie hatte einen Brief bekommen. Persönlich zugestellt. Er hatte ihn aufgemacht. Er streckte ihn ihr jetzt hin.
»Ein Brief?«
Erst vor einer Stunde hatten Aristot und Sabite sich noch gegenseitig versichert, dass Azime, wenn die Verabredung mit dem Heiratskandidaten schlecht ausgegangen wäre, bereits zu Hause sein müsste. Als sie ein Geräusch an der Haustür hörten, dachten sie, das sei Azime, und hofften auf gute Nachrichten. Aristot war schon im Flur – bereit, mit Azime über Couchgarnituren zu reden, diesen geheimen Ordner auf dem Computer, der jetzt nicht mehr geheim war. Dieses Thema machte ihn nach außen hin wütend, dabei hatte er sich doch darüber amüsiert, was er dort gelesen hatte. Der Messingdeckel am Briefkasten klapperte, ein Brief wurde durch den Schlitz geschoben und fiel vor Aristots Füßen auf den Boden.
Aristot hatte keine Bedenken, einen an seine Tochter gerichteten Brief zu öffnen, erst recht nicht, wenn dies ein persönlich eingeworfener Brief ohne Briefmarke war! Welcher Vater würde unter solchen Umständen nicht genauso handeln? Aber der Umschlag enthielt nur eine Karte. Darauf stand in großen roten Lettern:
HÖR AUF ODER DU STIRBST. LETZTE WARNUNG .
Jeder Buchstabe war aus einer anderen Zeitschrift ausgeschnitten. Unten auf der Karte klebte ein gelber Smiley.
Aristot riss die Haustür auf – niemand da. Er stürmte hinaus auf die Straße und blickte nach links und nach rechts. Auch da war niemand zu sehen. Das konnte doch nicht sein. Vielleicht hatte ein Nachbar den Brief eingeworfen und war sofort wieder in seinem Haus verschwunden? Aber dann konnte es keiner von den unmittelbaren Nachbarn sein – jedenfalls weder aus Nummer 14 (dort lebte ein gehbehinderter Rentner) noch aus Nummer 18 (derzeit unbewohnt).
Vor die Wahl gestellt, in welche Richtung er laufen sollte, entschied Aristot sich für die Seite, auf der schneller eine Querstraße kam. Sein massiger Körper bewegte sich mit einer Geschwindigkeit, zu der er sich selten veranlasst fühlte. Als er die Ecke erreichte, sah er nur eine ruhige Straße, die bis auf eine einsame Gestalt, die in etwa hundert Schritt Entfernung einen störrischen Motorroller zu starten versuchte, völlig menschenleer war. War das der Übeltäter?
Als Aristot keuchend
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