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Furchtbar lieb

Furchtbar lieb

Titel: Furchtbar lieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen FitzGerald
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fünf Minuten am Empfang warten, ehe eine fleischige Frau Mitte fünfzig an den Tresen kam und sie aufrief. Sie saßen einige Minuten lang in einem deprimierenden Raum, der nach Krankheit und Drogensucht roch. Sarah erklärte, dass sie sich den Kopf verletzt habe, als sie im Hinterhof eine »Safetots«-Babyschaukel aufgestellt habe, und nach einer kurzen Zusammenfassung und einigen Fragen gab man ihr zwei Adressen: die der Pflegeeltern und die für die Kindesanhörung, zu der sie Robbie abends um sechs Uhr bringen solle. Dann eilte die Sozialarbeiterin zu einer Fürsorgeuntersuchung davon.
    Sarah warf eine der beiden Adressen in den Müll, ehe sie ihr Auto aufschloss. Dann betrachtete sie die andere.
    Eine halbe Stunde später parkte sie vor einer Reihe von heruntergekommenen Mietshäusern mit vernagelten Fenstern und Türen. Auf der gegenüberliegenden Seite standen Reihenhäuser. Sarah fand Nummer 21 und drückte auf den Summer. Eine Frau mittleren Alters öffnete die Tür. Sie schien ein wenig irritiert wegen Sarahs zerkratzter Stirn und geschwollener Lippe,aber die Sozialarbeiterin hatte bereits angerufen, und so hatte sie Sarah erwartet.
    Sarah war mehr als nur ein wenig irritiert angesichts dieser Frau – durften Leute mit schlechten Zähnen und Akzenten wie aus einer Komödie sich wirklich als Pflegeeltern betätigen? Das Haus zeigte alle Merkmale eines Unterschichtsdomizils – rosa Rüschenvorhänge, zu viele perfekt zusammenpassende Samtsofas, die zweifellos vonnöten waren, um dem zweifelsfrei dauerarbeitslosen Ehemann ungezählte Stunden der Bequemlichkeit zu schenken.
    Sarah war binnen zwei Sekunden gelangweilt, als die Frau etwas über Medikamente laberte, dass Robbie um zwei Uhr zwei Stunden lang geschlafen habe und dann von acht bis neun, dass Karotten anscheinend sein bevorzugtes Gemüsepüree seien und seine Windelgröße bei Pampers Maxi, bei Huggies aber Maxi-Plus sei.
    Ehe die Frau sich auch noch darüber auslassen konnte, wie sehr ihm die DVD »Thomas, die kleine Lokomotive« gefallen hatte, unterbrach Sarah sie mit den Worten: »Wir schaffen das schon, danke.« Dann nahm sie ihn und eine der Taschen und brachte ihn ins Auto.
    Gerade als Sarah klar wurde, dass sie keinen Kindersitz hatte, kam die Unterschichtsschlampe mit einem heraus und schnallte ihn fest.
    Als der Landrover mit quietschenden Reifen davonbrauste, merkte die Pflegemutter, dass Sarah die Tasche mit Robbies Medikamenten nicht mitgenommen hatte.
    Sarah beschloss, nach Perth zu fahren. Niemand würde sie dort finden, und Paul, der Sainsbury-Mann, war anders als andere Männer. Er hatte ihr zugehört, er hatte sie gemocht und schön gefunden, ihm konnte sie vertrauen. Dies wäre der beste Ort, um ihre Gedanken zu ordnen und den besten Weg zu ersinnen, wie sie den letzten und wichtigsten Punkt auf ihrer Liste abhaken konnte.
    Sarah brauchte über zwei Stunden bis Perth. Normalerweise hätte es nur anderthalb Stunden gedauert, aber Robbieweinte fast die ganze Zeit, und das hielt sie auf. Nach einer halben Stunde hielt Sarah an und knuddelte ihn. Als sie Robbie im Krankenhaus zum ersten Mal gesehen hatte, war sie von seinen Augen entzückt gewesen. Diese Augen hatten zu ihr gesprochen. Es waren Augen, die sie liebten und verstanden.
    Als sie jetzt in Robbies Augen schaute, sah sie nichts von diesem Verständnis und dieser Liebe. Es waren hässliche kleine Schreiaugen, und sie fing an, sich zu fragen, was Krissie dem Kind angetan hatte, dass es so geworden war. Ihre Umarmung brachte sein Geschrei kurzfristig zum Verstummen, aber als sie weiterfuhr, stieß er ein solches Geheul aus, dass sie mit dem Auto am liebsten in den Gegenverkehr gefahren wäre.
    Sie fing an, ihm während des Fahrens etwas vorzusingen:
    Der Zug pfeift leise einen schläfrigen Ton
    Alle Jungen und Mädchen schlafen jetzt schon
    Schaukeln, rollen, fahren –
    Was zum Teufel stimmt nicht mir dir?
    AUF DEM WEG NACH MORGENSTADT, VIELE MEILEN
    HAAAALT DEN MUUND!
    Aber diese Methode brachte ihn nicht zum Schweigen. Er hörte nur ein einziges Mal auf zu weinen, und das war, als er Sarahs Landrover in hohem Schwall vollreiherte. Eine Springflut aus Kotze traf Sarah am Hinterkopf. Sie fuhr mit quietschenden Reifen in ein Dorf namens Dunblane und rannte in ein Pub.
    »Kann ich Ihre Toilette benutzen? Es ist ein Notfall!«
    »Es gibt öffentliche Toiletten bei der Touristeninformation«, sagte der Barmann.
    Sarah sprang zurück ins Auto, wo Robbie aus vollen Rohren schrie,

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