Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Furchtbar lieb

Furchtbar lieb

Titel: Furchtbar lieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen FitzGerald
Vom Netzwerk:
geschenkt bekommen hatte. Den Stoffhasen nahm ich gleich wieder heraus, weil er sehr furchteinflößend aussah, mit bösen Glasaugen und neu angenähten Ohren, die zu eng anlagen und zu dünn waren.
    Ich erinnerte mich an ein anderes Stofftier namens Geoff. Geoff war ein rosa Teddybär, den ich auf seinen umstrittenen Namen getauft hatte, weil ich ein »interessantes« Kind war. Er befand sich nirgendwo im Kreativzimmer, und so ging ich auf den Dachboden.
    Unser Dachboden hatte eine Leiter zum Herunterziehen, und er war winzig. An einem verregneten Wochenende hatte mein Vater da oben eine Lampe angebracht, und meine Mutter hatte begonnen, ihn zum Lagern von Sachen zu benutzen, die »wir wirklich mal wegwerfen sollten, Anna!«.
    Es gab dort mehrere Plastikkisten voller Briefe. Meine Mutter ist eine große Briefeschreiberin. Sie liebt Menschen – und spricht den ganzen Tag darüber, was sie tun und was sie sagen und wieso sie so geworden sind, wie sie sind.
    Die Briefe meiner Mutter waren eine wunderbare Lektüre.
    Es gab dort Liebesbriefe an meinen Vater, aus der Zeit, als er in Afrika gearbeitet hatte: »Noch 133 Tage, bis ich Dich sehe, Davie-Boy. Wie soll ich ohne Deine Massagen undPfannkuchen überleben? Schreib mir und nenne mir ein paar Möglichkeiten.«
    Es gab dort Briefe an mich, als ich in Indien gewesen war. »Du bist mein Goldstück, Krissie. Ich erinnere mich, wie Du mit Sarah im Regen zur Schule gegangen bist. Damals habe ich im Stillen gedacht: Da laufen meine Goldmädchen mit ihren blauen Regenschirmen, rennend und lachend im Regen.«
    Und ein Brief von mir, den meine Mutter in eine Plastikhülle gesteckt und abgeheftet hatte:
    Liebe Mum,
    ich sitze auf dem Ast eines Baumes in Goa, und die Sonne geht über dem Wasser unter, und alles ist unheimlich schön. Ich habe mich mit einem Typen namens Chas aus Edinburgh angefreundet und ihm alles über Dich erzählt. Er meint, dass Du nett zu sein scheinst, und sagt, dass ich ausgeglichener werden sollte. Ich denke dauernd an zuhause. Ich vermisse es, abends auf der Schaukel zu sitzen und irgendeinen Scheiß zu erzählen und zu dämlichen Wochenendausflügen mitgeschleppt zu werden.
    Kx
    PS: Mach Dir meinetwegen keine Sorgen. Mit einem asexuellen Schotten auf einem ziemlich unbequemen Baum zu sitzen, ist das Leichtsinnigste, was ich mache.
    Es gab dort eine Kurzgeschichte, die meine Mutter geschrieben und jahrelang versteckt hatte. Die Geschichte handelte von einem kahlköpfigen Jungen auf einem Schiff, der schikaniert wird, und sie war großartig.
    Ich fand zwar keinen Geoff, aber ich stieß auf zwei Sachen, die mich wirklich verwirrten. Die erste war ein Zeitungsausschnitt über einen Typen, der wegen eines Sexualdeliktes zu einer Geldstrafe verurteilt worden war. Er hatte es geschafft, dass die Summe herabgesetzt wurde, aber er war – wie die Zeitung es ausdrückte – ein frei herumlaufendes Scheusal.
    Ich hatte das mit einem Achselzucken abgetan und weiter die Fotos durchgeblättert, als ich auf die zweite seltsame Sache

SCHEUSAL LÄUFT FREI HERUM
Ein Pädophiler wurde vor dem Grafschaftsgericht in Glasgow zu einer Geld strafe von £200 verurteilt, weil er ein sechs Jah re altes Mädchen sexuell belästigt hat. »Er war immer ein angenehmer Mensch«, sagte ein Nachbar. »Ich glaube immer noch nicht, dass er es getan hat.« Andere Anwohner sagten, sie seien außer
sich, dass der Mann es geschafft habe, durch ein Geständnis eine Strafverminderung zu erzielen, so dass er letztlich nur für Störung des öffentlichen Friedens belangt wurde. Der Straftäter – dessen Name nicht genannt werden darf – verließ heute Nachmittag das Gerichtsgebäude und wurde seit dem nicht mehr gesehen.

    stieß. Etwas, das in Zeitungspapier eingewickelt war. Ich entfernte den Observer und erhaschte einen kurzen Blick auf ein schönes Schmuckkästchen, das mit rosafarbenen Blumen bestickt und mit silbernem Glitter besetzt war.
    Dann übergab ich mich in gleichmäßigem Schwall über die Briefe meiner Mutter.
    Als ich das Kästchen erneut ansah, fragte ich mich, warum ich mich gerade übergeben hatte. Ich öffnete den Deckel ein wenig, sah das Ballettröckchen einer winzigen Ballerina und hörte eine Spieluhr, die ein trauriges Lied leierte. Um nicht noch einmal zu erbrechen, knallte ich den Deckel zu, wickelte das Kästchen in die Zeitung und ging nach unten, um Mums Briefe sauberzumachen.
    »Was ist los?«, fragte Chas, als ich in die Küche kam.
    »Ich habe auf dem

Weitere Kostenlose Bücher