Furious love
Filmscheinwerfern bis zu 60 Grad erreichte. Alle taten, was sie konnten, um möglichst wenige Aufnahmen wiederholen zu müssen – kein Problem für »Quicktake« Elizabeth oder auch Lillian Gish, die mit ihren 74 Jahren von der Hitze besonders geplagt wurde. Ref 380
Trotz der Hitze – oder vielleicht deswegen – stieg Burtons Alkoholkonsum exponentiell. Graham Greene, ebenfalls kein Abstinenzler, schrieb: »Wenn die beiden abhauen, geben sie sich in ihrem kleinen Trailer die Kante – er Bier, sie Pastis. Wie können sie nur, bei dieser Hitze …« Ref 381
Auch Guinness war etwas in Sorge. In Richards früher Theaterzeit, 1949, war er gelegentlich zum Essen bei ihm und seiner Frau am St. Peters Square in London. Dort hatte er Alec Guinness mit Dylan Thomas’ Dichtung bekannt gemacht. (Guinness porträtierte den walisischen Dichter später in einem Ein-Mann-Stück in London.) Nun, 18 Jahre danach, schrieb Alec in einem Brief an seinen Sohn über die erneute Begegnung mit Richard: »Er ist kaum noch derselbe. Zurzeit ist er etwas verdrießlich, aber er kann sehr amüsant sein, ist hochintelligent und durchaus interessant. Aber der Alkohol hat einiges zerstört, fürchte ich.« Ref 382
Und wie so oft gibt es auch in diesem Film eine Spiegelung von Burtons wahrem Leben: Hier ist es eine flüchtige Bemerkung von Paul Ford, der einen exzentrischen amerikanischen Idealisten spielt, der mit seiner Frau (Lillian Gish) nach Haiti reist. Als Mr. Brown (Burton), der von Duvaliers Regime bedrohte Hotelbesitzer, seinem Gast Mr. Smith (Paul Ford) sagt, er und seine Frau bekämen die John-Barrymore-Suite, fragt dieser, ob der Schauspieler tatsächlich dort übernachtet habe.
»Ja, ich habe noch seine Schnapsrechnungen«, antwortet Mr. Brown. Darauf Mr. Smith: »Der Alkohol hat ihn ruiniert.«
Elizabeth gab Richards »walisischen Stunden«, den immer wiederkehrenden depressiven Phasen, die Schuld an seinem exzessiven Trinken. Dabei tranken sie beide viel, weshalb sie einmal auch zu einem Staatsbankett mit zweihundert geladenen Gästen, das zu ihren Ehren stattfinden sollte, einfach nicht erschienen. Doch meistens wirkte Richard mitgenommener
als sie. Manchmal verschwand er stundenlang. Dann rief Elizabeth seinen Namen über das ganze Präsidenten-Anwesen, doch es kam keine Antwort. Also musste sie ihre klimatisierte Villa verlassen und eine Runde durch die finsteren Seitengassen und Straßen von Cotonou machen und die kleinen Hotels und afrikanischen Bars nach ihm absuchen, in denen die bekannteste Frau der Welt Schwierigkeiten hatte, deutlich zu machen, um wen es ihr geht.
»Haben Sie Richard Burton gesehen?«, fragte sie in den Bars. Ref 383
»Wen?«
»Richard Burton!«
»Schwarz oder weiß, Madame?«
War er entführt worden? Am Set gab es Spekulationen über Entführungen durch Duvaliers Handlanger, manchmal erhielten sie zwei oder drei Drohungen pro Woche. Doch am Ende fand sie ihn dann irgendwo mit ein paar Crew-Mitgliedern. Einmal stolperte Alec Guinness in seiner Garderobe über Elizabeth. Sie hatte dort den ganzen Nachmittag geweint, weil Burton in betrunkenem Zustand ausfallend geworden war. Wie immer begruben sie jedoch auch diesmal wieder das Kriegsbeil und alles ging seinen gewohnten Gang: Sie standen vor der Kamera, tranken, stritten oder liebten sich.
Burton war der Ansicht, dass Elizabeth in Afrika trotz allem noch schöner wurde. »E. sieht wunderbar aus – sie blüht in der Hitze auf«, schrieb er im Januar in sein Tagebuch. Und später irgendwann: »Ich liebe sie immer, aber zurzeit bin ich wahnsinnig verliebt in sie und will ständig mit ihr schlafen. Aber das ist nun für ein paar Tage nicht möglich.« Ref 384
Je mehr er trank, desto mehr wurde er zu Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Darunter litt Elizabeth am meisten. Zwar spielte sie in Die Stunde der Komödianten wieder eine Martha, doch sie wollte nicht Albees Martha werden. Burton konnte ihr gegenüber so liebevoll und treu ergeben sein, aber wenn er zu viel getrunken hatte, wandte er sich gegen sie und die Welt, in die sie ihn gebracht hatte. Alle waren »Langweiler« und »arme Schweine«. Er schlug um sich und sie bekam das zu spüren. Für Elizabeth
war Fluchen ein Spiel, eine Befreiung, aber in Richards Obszönität, wenn er getrunken hatte, war der Stachel eines Skorpions zu spüren, und das schmerzte sie. Es machte sie untröstlich, wenn er sie zurückwies und die Frotzelei in Verhöhnung umschlug. Dies war der siebte Film, den sie zusammen
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