Furious love
Tagebuch nennt er sie »liebste Sally«, »sexy Sally« oder »unverzichtbare Sally« – die Beziehung basierte also wohl nicht nur auf Fürsorglichkeit und Geborgenheit. Ref 693
Also blieb Sally auch nach Wagner , zog bei Richard ein. Sie hatte ihn schon nach New York begleitet. Elizabeth war darüber alles andere als begeistert, und als er drei Tage verschwand, um danach als frischgebackener Ehemann von Sally zurückzukehren, war sie außer sich vor Wut.
»Ich glaube, Richard hat dann ernsthaft versucht, aus dem Vertrag auszusteigen«, vermutete Culllum. »Ihm gefiel es einfach nicht, in einem Stück zu spielen, das nicht gut ankam.« Auch Cullum versuchte, aus dem Vertrag herauszukommen. In einer Szene mit Elizabeth wurde ihm klar, dass das Publikum ihn vollkommen ignorierte. »Ich warf einen Blick in
den Zuschauerraum und sah, dass alle Augen nur auf sie gerichtet waren. Sie konnten wohl kaum glauben, dass die beiden tatsächlich vor ihnen standen – lebendig gewordene Ikonen. Richard konnte auf der Bühne jeden an die Wand spielen. Aber das war gar nicht sein Ehrgeiz. Ihn störte es, dass er für Elizabeth arbeiten musste, dass sie seine Chefin war. Das ist zumindest mein Eindruck gewesen.«
Elizabeth machte gute Miene zum bösen Spiel und gab in Philadelphia sogar eine Party für das frisch vermählte Paar. Doch nach Burtons Hochzeit mit Sally schien Elizabeth alles egal zu sein. »Etwas in mir brach zusammen«, erzählte sie später. »Meine schlechtesten Gewohnheiten kamen wieder hervor. Ich aß zu viel, trank zu viel und schluckte zu viele Pillen. Wenn der Vorhang fiel, wartete schon Jack Daniel’s auf der Seitenbühne auf mich.« Ref 694
Ihre Gewichtszunahme war nicht zu übersehen und einige Kritiker wiesen mit diebischem Vergnügen darauf hin. Kathryn Walker, die Sybil spielte, tat es leid, wenn Elizabeth in der Garderobe in den Spiegel schaute und fragte: »Sehe ich wirklich fett aus?« Sie war »sehr verletzt«, erinnert sich Kathryn. »Und nun wurde sie praktisch den Löwen zum Fraß vorgeworfen, so wie die Regie angelegt war. Ich verstehe nicht, warum sie sich nicht dagegen wehrte.« Ref 695
Aber gegen den Regisseur Milton Katselas, eine Art Guru und Schauspiellehrer aus Los Angeles, konnte sie sich zur Wehr setzen. Cullum hatte einige Jahre zuvor schon einmal mit ihm gearbeitet. Der Regisseur habe »fast wie ein Professor über ›die Komik von Noël Coward‹ doziert. Selbst mir ging recht schnell auf, dass er Coward erst kürzlich entdeckt hatte. Und dann sprach er auf diese Art auch mit Elizabeth und Richard, die Noël Coward kannten und viel Zeit mit ihm verbracht hatten.« Katselas wurde gefeuert und durch einen anderen Regisseur ersetzt.
In privaten Augenblicken während der Proben hatte Elizabeth Richard zugeflüstert, wie einsam sie sich fühlte, trotz der Zuvorkommenheit von Co-Produzent Zev Bufman und Victor Gonzales Luna, einem
vornehmen, geschiedenen mexikanischen Juristen und Vater von vier Kindern, den Elizabeth im Vorjahr kennengelernt hatte. Getroffen von Richards Treulosigkeit, besonders nach den Spekulationen in der Presse über ihr erneutes Zusammenkommen, verlobte Elizabeth sich kurzerhand mit Luna. In der Post erschien eine Fotografie der beiden Paare bei einer Party im Café Royal in Philadelphia: Richard und Sally, Victor und Elizabeth, die trotzig ihren 16,5-Karat-Verlobungsring von Luna vorzeigt.
Doch Elizabeth hatte überhaupt keine Freude mehr an der Theatertournee. »Es wurde ein 24-Stunden-Alptraum. Es spielte keine Rolle, dass wir keine guten Kritiken bekamen. Die Ränge waren trotzdem voll. Natürlich kam niemand, um das britische Salonstück zu sehen. Alle bezahlten Eintritt, um die Schmonzette ›Liz and Dick‹ zu sehen. Und wir zeigten ihnen, was sie wollten.« Elizabeth versuchte verzweifelt, die Tournee zu unterbrechen, »dieser Qual ein Ende zu bereiten«, aber sie hatten Verträge zu erfüllen. Ref 696
Auch Richard hatte die Nase voll. In Boston bekam er einen Anruf von John Huston. Der bot ihm die Rolle des trunksüchtigen, aber eloquenten Konsuls aus Malcom Lowrys erfolgreichem Roman Unter dem Vulkan an. Die Rolle war Richard wie auf den Leib geschnitten: ein genialer Geist, der nicht damit zurechtkommt, dass seine Ehe in die Brüche geht. Doch Burton war klar, dass er an seinen Vertrag für die Tournee gebunden war. Deshalb gab der Film stattdessen der dümpelnden Karriere eines anderen großen britischen Darstellers, Albert Finney, Aufwind.
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