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Furor

Furor

Titel: Furor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus C. Schulte von Drach
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Frau sprach von seinem Vater, begriff er plötzlich. Sein Vater. So gut wie tot. Tot und bald beerdigt. Wie in Trance hörte er der Frau weiter zu.
    »Wir haben mit Herrn Lannert den heutigen Tag ausgemacht. Heute Nachmittag. Er sagte, er würde Ihnen Bescheid geben. Das Beerdigungsunternehmen übernimmt Ihren Vater dann am Abend. Ich wollte Sie fragen, ob das für Sie in Ordnung geht.«
    Sebastian ging, den Hörer noch immer ans Ohr gedrückt, ins Wohnzimmer. Dort sah er, dass jemand auf dem Anrufbeantworter eine Nachricht hinterlassen hatte. Das musste Lannert gewesen sein. Sebastian hatte es gestern Abend übersehen.
    »Herr Lannert hat mich nicht erreicht«, erklärte er der Ärztin.»Aber ich bin einverstanden. Ich nehme an, dass Sie alle Möglichkeiten durchgespielt haben.«
    »Ja«, antwortete die Frau. Zum ersten Mal klang ein wenig Mitgefühl aus ihrer Stimme. »Man kann leider nichts mehr machen.«
    Dann fiel Sebastian das Gespräch ein, das er am Vorabend mit Barth geführt hatte. Als er der Ärztin mitteilte, dass er die Organe seines Vaters zur Transplantation freigeben wollte, schien sie erfreut. Allerdings war sie verwirrt, als er ihr zu verstehen gab, man hätte ihn doch schon viel eher auf diese Möglichkeit hinweisen können.
    »Hat Sie denn niemand danach gefragt? Normalerweise werden die Angehörigen vor diese Entscheidung gestellt, sobald der Hirntod feststeht. Der Arzt, der Sie über den Zustand Ihres Vaters informiert hat, hätte Ihnen diese Frage stellen sollen.«
    »Ich habe es von der Polizei erfahren. Nicht von einem Arzt.«
    »Na, dann werden die das wohl vergessen haben. Ich werde jedenfalls sofort alles in die Wege leiten, um Ihren Vater . . . aber das wird Sie vielleicht nicht interessieren. Oder Sie wollen es gar nicht hören.« Der letzte Satz klang so, als hätte sie zu sich selbst gesprochen. Vermutlich hatte sie schon häufig die Erfahrung gemacht, dass Angehörige nicht ganz die Begeisterung teilten, die gespendete Organe bei Ärzten auslösten.
    »Übrigens wollte ich Sie auch aus einem anderen Grund anrufen«, fuhr die Ärztin fort. »Ich habe da etwas Merkwürdiges festgestellt. Aber das kann ich Ihnen dann ja auch heute Nachmittag mitteilen. Sie kommen doch persönlich vorbei, wenn wir die Maschinen abstellen, oder? Das habe ich doch richtig verstanden?«
    »Ja, natürlich«, bestätigte er und verabschiedete sich. Dann hörte er den Anrufbeantworter ab. Es waren zwei Nachrichtengespeichert. Die erste stammte tatsächlich von Lannert. Der Anwalt erklärte sich bereit, Sebastian in die Klinik zu begleiten. Aber er gab zu, es nicht gern zu tun. »Ich weiß nicht, ob ich gut damit umgehen kann und ob ich dir dabei eine große Hilfe bin.«
    Sebastian beschloss, den Anwalt nicht damit zu belasten. Stattdessen rief er Wallroth an und bat ihn, ihn in die Klinik zu begleiten. Wallroth war sofort einverstanden.
    Die zweite Nachricht auf dem Anrufbeantworter stammte von einer Frau.
    »Hier spricht Sareah Anderwald. Ich arbeite für die ›Rundschau‹ und würde mich gern mit Ihnen unterhalten, Ihnen einige Fragen über das Wilder-Penfield-Institut stellen.« Es war eine angenehme Stimme, jung, aber ernst, sicher, aber unaufdringlich.
    »Mir ist gesagt worden, Sie wären eine gute Adresse, um herauszufinden, was bei Ihnen am Institut so läuft«, fuhr die Stimme fort. »Also, wenn Sie mich anrufen würden, dann wäre ich Ihnen sehr dankbar.«
    Sebastian notierte sich ihre Nummer. War ihm danach, jetzt mit einer Journalistin zu reden? Überhaupt, wie kam sie auf ihn? Weil er der Sohn des Institutsleiters war? Die Sache interessierte ihn. Er wählte ihre Nummer.
    Sie meldete sich nach dem zweiten Klingeln und schien sich sehr über seine schnelle Reaktion zu freuen. Als sie ihn bat, sich gleich mit ihm zu treffen, stimmte er zu. Vielleicht konnte er mit einem Gespräch die Zeit bis zum Termin im Klinikum Innenstadt auf angenehme Weise überbrücken. Sie vereinbarten als Treffpunkt die Cafeteria im Institut, da er sowieso dorthin wollte.

22. April, Vormittag
    Warum Sebastian ausgerechnet heute mit dem Bus zum Institut fuhr, wusste er selbst nicht. Vermutlich reiner Zufall. Richtung Sendlinger Tor war die Anbindung mit allen öffentlichen Verkehrsmitteln gleich gut. Heute also per Stadtbus.
    Eine ganze Weile war er mit dem Versuch beschäftigt, seinen Vater und den Termin heute Nachmittag aus seinen Gedanken zu vertreiben. Natürlich dachte er dadurch erst recht daran. Dan Wegner fiel ihm

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