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Furor

Furor

Titel: Furor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus C. Schulte von Drach
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fragte Sebastian. »Ich hatte doch gesagt, Sie können die Pizza in den Aufzug legen!«
    Der Mann lachte und sah an sich herunter. Der Anzug, den er trug, war mit Sicherheit teuer gewesen.
    »Ich hätte nicht gedacht, dass ich wie ein Lieferant aussehe. Muss mal mit meinem Schneider reden. Die Pizza ist dann wohl für Sie. Ich habe sie nur vom Boden aufgehoben.« Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: »Barth. Ich wohne seit heute hier, offenbar auf derselben Etage wie Sie. Und welches Namensschild gehört zu Ihrer Tür?«
    Sebastian war das Blut ins Gesicht geschossen.
    »Raabe«, antwortete er. Nach diesem Fauxpas war es ihm irgendwie peinlich, mit dem Mann zu reden. Aber der schien seinen roten Kopf gar nicht wahrzunehmen.
    »Raabe? Etwa verwandt mit dem Wissenschaftler?«
    »Das ist mein Vater . . . war mein Vater.«
    Barth stutzte. »Das tut mir Leid. Ich habe gelesen, was passiert ist. Ist er inzwischen gestorben?«
    »Nein, er ist noch nicht richtig tot«, erwiderte Sebastian verwirrt. »Das heißt, ich denke, er ist schon tot, nur ein paar Organe von ihm leben noch.«
    Wenn Barth diese Bemerkung seltsam fand, so ließ er es sich nicht anmerken. Im Gegenteil. Nachdem er stirnrunzelnd nachgedacht hatte, fragte er: »Haben Sie schon daran gedacht, die Organe zur Transplantation freizugeben?«
    Das war wiederum auch nicht die passendste Bemerkung gegenüber dem Angehörigen eines Hirntoten, fand Sebastian. Vielleicht hatte Barth aber auch ein gutes Gespür für andere Menschen und ahnte, dass er mit Sebastian tatsächlich so reden konnte, überlegte er.
    »Organspende? Eigentlich nicht. Darüber nachgedacht, meine ich.«
    Tatsächlich war ihm der Gedanke noch nicht gekommen. Ob sein Vater damit einverstanden gewesen wäre? Vermutlich.
    »Kennen Sie sich da aus?«
    »Nein, nicht besonders. Ich denke nur, dass es verdammt viele Menschen gibt, die dringend neue Nieren, Herzen, Lungen und ich weiß nicht was brauchen. Und viele Leute haben immer noch Angst, ihnen würden die Organe bei lebendigem Leibe herausgeschnitten und verkauft, wenn sie sich zu Lebzeiten zur Spende bereit erklären.« Barth fuhr sich mit der Hand durch die Haare. »Dabei ist es doch genau andersherum. Je mehr Menschen bereit wären, nach ihrem Tod Organe zu spenden, desto mehr Organe gäbe es, desto mehr Menschen könnte geholfen werden und desto geringer wäre die Nachfrage nach gestohlenen Organen. Wenn es so etwas überhaupt gibt. Und die Gentechnik hilft uns bisher ja auch nicht weiter. Weder bei Xenotransplantationen noch bei der Herstellung ganzer Herzen aus Herzzellen. Bis jetzt jedenfalls ist jeder Versuch, Schweineorgane so zu verändern, dass ein menschlicher Körper sie nicht mehr abstößt, gescheitert.Meines Wissens. Und ich weiß zwar nicht, wie alt Ihr Vater war, aber angesichts der Engpässe wird manchmal auch noch das Herz eines Fünfzigjährigen verpflanzt.« Barth sah Sebastian mit forschendem Blick an, so als wollte er sich vergewissern, dass er den trauernden Sohn mit diesem Thema nicht überforderte.
    »Sie haben Recht«, antwortete der. »Sie haben tatsächlich recht. Wissen Sie zufällig auch, an wen ich mich wenden muss, um die Organe freizugeben?«
    Barth schien erleichtert, dass Sebastian seine Fragen nicht übel genommen hatte. Er fuhr sich erneut durch die kurzen, blonden Haare über der kantigen Stirn. Die Bewegung wirkte stereotyp, abgezirkelt. Barth ließ den Arm aus dem Schultergelenk nach vorn schnellen, so dass sich der Ärmel des Anzugs über das Handgelenk zurückschob. Obwohl sich Barth, wie Sebastian jetzt nachträglich auffiel, schon das ganze Gespräch über immer wieder durch die Haare gestrichen hatte, saß die Frisur perfekt. Er musste irgendetwas hineingeschmiert haben.
    »Sie brauchen eigentlich nur der zuständigen . . . den zuständigen Ärzten einen Hinweis zu geben. Die werden sich dann darum kümmern.« Er streckte seine Hand aus. »Also dann. Wir sehen uns sicher öfter. Auf Wiedersehen.«
    Sie schüttelten sich die Hand, nachdem Sebastian die Pizza in die Linke gewechselt hatte. Barth verfügte über einen dieser Handschläge, die wirkten, als wollte der Betreffende die Kraft seines Gegners prüfen. Ärgerlicherweise hatte Sebastian nicht richtig zugegriffen, und nun knackten seine Finger in der Hand des Nachbarn.
    Dann drehte Barth sich um und ging zu seiner Wohnung. Sebastian betrachtete seinen breiten Rücken. Der Mann war nicht größer als Sebastian, eher kleiner, vielleicht einen

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