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Furor

Furor

Titel: Furor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus C. Schulte von Drach
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Lohnte sich aber hier nicht. War ja alles nicht so wahnsinnig interessant. Nicht mal die musikalische Untermalung, die er sich wünschte, stellte sich ein.
    Das Bild wechselte zu Blauschwarz. Und dann, ganz fein, hörte Sebastian tatsächlich das, was er sich gewünscht hatte. Wie beim Stereoeffekt durch den Kopfhörer, wo man verschiedene Instrumente getrennt hinter dem linken und rechten Ohr zu hören glaubt, vernahm er jetzt eine Flöte oder etwas Ähnliches, weit weg und weit rechts. Einzelne aneinander gereihte Töne. Aber es gelang ihm nicht, sie als Melodie zu verstehen. Sachte drückte er wieder mit dem Daumen zu und begann erneut, die Kugel kreisen zu lassen. Aber das war ein Fehler. Plötzlich war die Musik verschwunden. Eine ganze Weile konnte er jetzt nichts mehr finden. Dann, diesmal sehr deutlich, ein lautes Rauschen. Händeklatschen und . . . Pfiffe? Er hörte Applaus. Vermutlich war es ein erfolgreiches Konzert des Musikers gewesen, an das er sich besonders gut erinnern konnte. Leider hatte Sebastian die Erinnerung an das Konzert selbst verpasst. Dann kam lange wieder nichts. Sebastian ließ die Handfläche noch einige Minuten kreisen, dann gab er auf.
    Er legte den Hebel unter der linken Hand um. Der Helm löste sich aus der Wand, und der Sessel fuhr zurück in die Ursprungsposition.
    Der Übergang in die Realität war immer wie das Aufwachen aus einem Traum. Und je nachdem, wie scharf der Film war, konnte man sich an den Traum mehr oder weniger deutlich erinnern.
    Was Sebastian immer wieder von neuem faszinierte, war der Gedanke, dass er im Grunde jetzt auch einen Teil der Erinnerung des Toten zu seiner eigenen gemacht hatte. Und zwar mit allen Veränderungen, die dabei in seinem Gehirn stattfanden. Es entstand die verzerrte Kopie einer verzerrten Wiedergabe. Wenn mal jemand die Erinnerung eines Instituts-Mitglieds untersuchen wollte, würde er vermutlich auf ein schönes Durcheinander von Erinnerungen der verschiedensten Leute stoßen, dachte er.Sebastian ließ sich vom Computer die CD auswerfen, schaltete den Rechner ab und verließ die Kabine. Nachdem er den Gedächtnisträger zurück an seinen Platz gestellt hatte, unterhielt er sich noch eine Weile mit Blumenthau, der ihn schließlich mit Tränen in den Augen verabschiedete. Dann machte er sich auf den Weg zurück in die Welt der Lebendigen.

21. April, Nachmittag
    »Bist du eigentlich wichtiger Mann?«, fragte Doo Dong-won, nachdem er Sebastians Bestellung aufgenommen hatte.
    Überrascht schüttelte Sebastian den Kopf. »Wie kommst du auf die Idee?«
    »Vielleicht solltest du lieber vorsichtiger Mann sein«, riet ihm der Koreaner mit hochgezogenen Augenbrauen. Dann mixte er Sebastian den Milchshake. Der wartete ab, ob Doo seinen geheimnisvollen Rat noch erläutern würde. Doch der schwieg. Und so begann Sebastian, Kreuzworträtsel zu lösen.
    »Kennst du einen kleinen Mann, der aussieht wie niemand? Ohne Bart und mit blonden Haaren?«
    Erschrocken fuhr Sebastian auf. Er hatte nicht mitbekommen, dass Doo seinen Platz hinter der Theke verlassen hatte, um ihm seinen Milchshake zu bringen.
    »Wen bitte? Das trifft auf etwa ein Drittel der Männer in Deutschland zu, oder?«, fragte er zurück. Meinte Doo vielleicht Hobbes? Der war der einzige Mann, der so blond war, dass die Haarfarbe als ein deutliches Kennzeichen betrachtet werden konnte. Aber was hätte Hobbes hier zu tun gehabt?
    »Vielleicht achtest du auf kleinen unscheinbaren Mann, der blonde Haare hat«, erklärte Doo. Damit war die Angelegenheit für ihn beendet. Er verschwand wieder hinter der Theke. Als der Milchshake leer war, machte Sebastian sich auf den Wegnach Hause. Er hatte Lust auf eine Pizza – italienisch, nicht koreanisch – und beschloss, den Pizza-Notruf zu bemühen.
    Die Türglocke meldete einen Besucher. Über die Gegensprechanlage forderte Sebastian den Boten auf, die Pizza in den Fahrstuhl zu legen. Er hatte bei dem Service ein Konto, so dass er nicht jedesmal bezahlen musste, wenn Essen geliefert wurde, sondern bekam einmal im Monat eine Rechnung. Dann ging er in den Hausflur und wartete auf den Lift. Als die Fahrstuhltüren sich auseinander schoben, hatte er den Blick auf den Boden gerichtet, da er dort die Pizza erwartete. Stattdessen sah er auf zwei weiße Schuhe. Modische Lederschuhe mit unmodisch dicken Gummisohlen. Erschrocken fuhr er zurück und schaute auf. Der Typ stand aber nur da, lächelte und hielt ihm die Pizza hin.
    »Wieso kommen Sie mit rauf?«,

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