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Furor

Furor

Titel: Furor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus C. Schulte von Drach
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hatte sich nach dem Tod seiner Frau in seine Arbeit vergraben, mehr noch als je zuvor.
    Jetzt war auch er tot. Sebastian hatte das Gefühl, erst langsam zu begreifen, dass sein Vater nicht mehr da war. Richtig zubegreifen. Bis jetzt war dessen Tod nur so ein seltsamer, unvorstellbarer Vorfall gewesen. Selbst im Krankenhaus, als die Maschinen abgestellt worden waren, war es zwar schrecklich gewesen, aber irgendwie irreal. Jetzt hatte alles plötzlich an Klarheit, an Kontur gewonnen. Jetzt zeigte sich die Wirklichkeit in kaltem Licht. Dieser Tod rief nach Zorn. Denn jetzt konnte niemand mehr sagen: Gottes Wege sind seltsam. Jetzt musste man fragen: Wer hat das getan?
    Welches Schwein hatte ein Menschenleben ausgelöscht, von dem jede Minute mehr wert gewesen wäre als das gesamte Leben von so einem miesen Dreckstück? Sebastian sah hasserfüllt in einen Abgrund, aus dem Bilder aufstiegen, die ihm zeigten, was er mit dem Mörder tun würde, wenn er ihn in Händen hätte.
    Nach einer Weile konnte Sebastian wieder klarer denken.
    Er stellte den Stuhl auf und setzte sich. Er musste die Polizei informieren. Er musste mit Krug, nein, mit Kommissar Dietz reden. Aber, beschloss er, erst später. Erst wollte er selbst so viele Informationen sammeln, wie er konnte. Er betrachtete die Eintragungen auf der Reportseite, die unter den Zeilen mit den Namen und Geburtsdaten standen. Jemand hatte es außerdem noch mit dem Gründungsdatum des Instituts und etlichen Codes versucht, die er nicht einordnen konnte. Schließlich änderte sich der Stil. Die neuen Versuche stammten ebenfalls von dem Tag, an dem sein Vater gefunden worden war, allerdings vom Nachmittag. Die eingegebenen Zeichen schienen zu irgendeiner Programmiersprache zu gehören. Nach acht Versuchen gab die Person auf, und es folgten Sebastians Versuche.
    Sebastian besah sich nochmals die seltsamen Zeichen der Programmiersprache. Nullen, Einsen, grinsende Smilies, Balken, Kreuze. Offensichtlich hatte hier jemand sein Glück versucht, der etwas davon verstand. Und trotzdem schnell aufgegeben.Der Versuch hatte stattgefunden, während die Polizei hier alles abgesperrt und versiegelt hatte. Ein Spezialist von der Polizei? Wieso hatten die es denn so eilig? Und warum hatten sie am Morgen nicht gleich ihn nach dem Code gefragt? Hatten sie lieber ohne sein Wissen arbeiten wollen? Heimlich? Und: Wonach hatten sie eigentlich gesucht? Ging es um die Daten, die zu löschen ihn sein Vater aufgefordert hatte?
    Sebastian wischte sich die brennenden Augen und sammelte sich. Er beendete das Programm und befand sich wieder auf der Benutzeroberfläche. Von hier aus rief er das Dateien-Verzeichnis auf und suchte den Ordner »
Memout
«. Als er ihn gefunden hatte, schwebte sein Finger über der
Delete
-Taste.
    Das war der Wunsch seines Vaters gewesen. Der letzte Wunsch seines Vaters. Aber Sebastian konnte nicht. Was immer dieser Ordner enthielt, es war wichtig. Wichtig für seinen Vater. Wie konnte der erwarten, dass sein Sohn etwas zerstörte, ohne wenigstens einen Blick darauf geworfen zu haben? Sebastian öffnete den Ordner und fand sieben Files, mit römischen Zahlen durchnummeriert. Ein File enthielt ein Programm oder technische Daten. Die anderen Formate waren nicht zu erkennen.
    Einer plötzlichen Eingebung folgend, beschloss er, die Dateien nicht zu zerstören. Sie waren schließlich eine Art Vermächtnis. Er würde sie kopieren und behalten, als Erinnerung an seinen Vater. Und schließlich hatten sie möglicherweise mit seinem Tod zu tun. Sebastian sprang auf und kramte einige Compact-Discs vom Schreibtisch. Sie waren unbeschriftet, also leer, hoffte er.
    Er markierte den kompletten Ordner »
Memout
« und wollte ihn auf das CD-Laufwerk übertragen. Der Rechner meldete für sechs der Files jedoch ein falsches CD-Format. Es handelte sich um – Gedächtnis-Dateien! Erinnerungsfilme auf dem neuesten technischen Stand.
    Ungewöhnlich. Wieso hatte sein Vater solche Filme hier auf dem Computer abgespeichert? Man verwahrte solche Discs im Zentrum, nirgendwo sonst.
    Sebastian kopierte das technische File. Dann stöberte er hastig in den Regalen, bis er einen Stapel ungenutzter Film-CDs fand, die als Buchstützen dienten. Er legte eine ein und wiederholte den Übertragungs-Befehl. Die Geräusche aus dem Gerät waren vielversprechend. Die sechs Film-Files passten auf drei weitere CDs. Dann löschte er die Originale auf der Festplatte des Rechners und ließ die Files mit Nullen überschreiben.

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