Furor
Sprich: Freund. Nur ein Narr versuche, diesen Computer zu starten. Ich bin der Narr.
»Ich bin hier!«, brüllte er und klammerte sich mit beiden Händen an der Tischkante fest. »Ich bin hier! Ich bin hier! Ich bin hier!«
Zweiter Teil
»Bis auf diesen Tag habe ich mich um die Ethik der Angelegenheit noch nie bekümmert. Das Studium der Natur macht den Menschen schließlich so gewissenlos, wie die Natur selbst ist.«
H. G. Wells,
›Die Insel des Dr. Moreau‹
Kopie eines Schreibens des Vorsitzenden des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses »Spezialkräfte«, Dr. Reinhard B. (SPD), an die Mitglieder des Untersuchungsausschusses
Berlin, 18. April
Betrifft: Expertengutachten IstGH, Sudan
Sehr geehrte Damen und Herren,
wie Sie wissen, hat die Ermittlungsbehörde des Internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag eine Expertenkommission in den Sudan gesandt, um dem Vorwurf nachzugehen, deutsche Soldaten hätten dort ein Massaker an der einheimischen Zivilbevölkerung verübt.
Das Expertengutachten finden Sie in der Anlage.
Ich fasse den Inhalt kurz zusammen: Die Ermittler des IStGH bestätigen, dass westlich von Port Sudan, in einem Dorf namens Gehadiya, ein Massaker stattgefunden hat. Insgesamt 24 Menschen wurden dabei getötet, darunter acht Kinder unter vierzehn Jahren. Sieben der Opfer waren über sechzig Jahre. Alle Leichen wiesen Schuss- und Stichwunden in großer Zahl auf.
Zeugen für das Massaker wurden nicht gefunden. Die Gutachter konnten sich deshalb nur auf die Indizien stützen, die sie vor Ort fanden.
In Gehadiya wurden Projektile beziehungsweise Patronenhülsen gefunden, die auf eine Zahl von mindestens 637 Geschossen hinweisen. Beim überwiegenden Teil handelt es sich um dasKaliber 5,56 Millimeter x 45 beziehungsweise .223 Remington: NATO-Munitionsstandard. In Zusammenarbeit mit dem Kriminalistischen Institut des Bundeskriminalamtes in Wiesbaden konnte nachgewiesen werden, dass diese Projektile von einem hessischen Tochterunternehmen der Firma Ferrostaal hergestellt und mit großer Sicherheit aus Heckler & Koch-Sturmgewehren des Typs HK50 abgefeuert wurden. Diese Gewehre, die bei der Bundeswehr als G36 bezeichnet werden, ersetzen dort seit 1997 nach und nach das Sturmgewehr G3. Bislang werden G36 vor allem von deutschen, türkischen und spanischen Streitkräften verwendet. Das Kommando »Spezialkräfte« war unter den ersten Heeresteilen, die mit dem neuen Typ ausgerüstet wurden. Es wird dort vor allem als Sonderanfertigung G36K verwendet, einer Version mit verkürztem Rohr. Die in Gehadiya sichergestellte Munition ist zum überwiegenden Teil aus Gewehren dieses Typs abgefeuert worden. Dazu kommt Munition vom Kaliber 9 Millimeter Parabellum, die aus einer Maschinenpistole vom Typ Heckler & Koch HK MP5-SD3 abgefeuert wurde. Auch diese Waffe wird von der deutschen Bundeswehr und vom KSK verwendet.
Da sich weder türkisches noch spanisches Militär im Norden des Sudan aufgehalten hat, gehen die Gutachter davon aus, dass Angehörige der deutschen Streitkräfte für das Massaker von Gehadiya verantwortlich sind. Der Internationale Strafgerichtshof und die Bundesregierung werden die näheren Umstände des Massakers in enger Zusammenarbeit aufklären. Zur Zeit wird eine Selbstanklage der Bundesregierung vor dem IStG formuliert.
Dieser Untersuchungsausschuss soll der Ermittlungsbehörde in Den Haag zuarbeiten. Wir werden deshalb, zumindest bis Den Haag offiziell übernimmt, weiter tagen und Beteiligte vernehmen. Ich schlage vor, sich hierbei vor allem auf mögliche Ursachen für das Verhalten der deutschen Soldaten zu konzentrieren.Darüber hinaus schlage ich vor, auf die Autoren des IStGH-Gutachtens als Zeugen zu verzichten. Alle relevanten Informationen gehen nach meiner Einschätzung aus dem Gutachten hervor, das Sie in der Anlage finden. Sobald der Termin für die nächste Ausschuss-Sitzung feststeht, werden Sie darüber informiert.
24. April, Morgen
Der nächste Tag begann für Sebastian spät und mit einem rhythmischen Dröhnen. Er begriff nur langsam, dass es das Blut war, das durch die Adern seines Gehirns pulste. Vorsichtig, ganz vorsichtig befreite er sich aus der Decke, die sich um seine Beine gewickelt hatte, schob sich von der Couch auf den Boden und robbte in Zeitlupe zum Schrank. Er vermied es, zum Fenster zu blicken. Es war hier eindeutig zu hell. Als er den Schrank erreicht hatte, öffnete er vorsichtig die unterste Schublade und holte die kleinen weißen Tabletten heraus, die
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