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Furor

Furor

Titel: Furor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus C. Schulte von Drach
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Niemand würde diese Daten mehr lesen können. Sebastian hatte große Lust, die Festplatte komplett zu formatieren. Sollten sie doch versuchen, hier noch etwas zu finden – wer immer sie waren. Doch das hätte er gegenüber den Institutsmitarbeitern nicht gut erklären können. Er steckte die CDs in die Jackentasche, schaltete den Computer aus und verließ das Büro.

24. April, Mittag
    Als Sebastian sich bewusst wurde, wohin er ging, hatte er den Weg ins Zentrum schon fast hinter sich. Dort angekommen, begrüßte er kurz Blumenthau, wechselte einige Sätze mit ihm, ohne wirklich wahrzunehmen, was der Alte sagte. Im Archiv nahm er dann willkürlich einen Film aus dem Regal, nur für den Fall, dass jemand hereinkäme und fragte, was er sich da ansah.
    In der Kabine spürte er, dass seine Finger beim Einlegen der ersten CD zitterten. Er programmierte den Computer so, dass er nach zehn Minuten automatisch in die Wirklichkeit zurückgeholt wurde. Diese Möglichkeit war eine Sicherheitsvorrichtung, die verhindern sollte, dass Anfänger oder psychisch labile Kandidaten nicht rechtzeitig wieder aus den Erinnerungen ausstiegen und eine so genannte Überidentifikation erlitten.Sebastian hatte davor zwar keine Angst, aber er hatte ja keine Ahnung, was diese Filme enthielten. Etwas Besonderes musste es sein, wenn sein Vater sie unbedingt vernichten wollte. Und deshalb wusste er auch nicht, wie er auf sie reagieren würde. Auf jeden Fall waren die Filme neu und die Bilder möglicherweise schärfer als üblich.
    Als sein Kopf mit dem Helm in die Wand geschoben wurde, fühlte er, wie das Blut hinter seinen Schläfen pulsierte.
    Er merkte gleich, dass dieser Film sich von denen, die er bisher gesehen hatte, unterschied. Irgendwie schien bei der Übertragung eine Art Vibration übermittelt zu werden. Es fühlte sich an, als würden seine Augäpfel zittern. Aber es war nicht unangenehm.
    Zuerst sah Sebastian nichts. Ein gelbes Nichts. Von links schob sich etwas heran, nur die Ahnung eines Schattens. Dann tauchten zwei Augen auf, die ihn ansahen. Das Bild war schnell vorüber. Aus dem gelben Dunst schälte sich eine Wohnung heraus. Es war, als hätte jemand eine Kamera in ein Zimmer gehalten und sie permanent bewegt, so dass kein klares Bild entstand, nur verzerrte, bunte Ahnungen. Jemand ging durch diese Wohnung. Es kam ihm alles seltsam vertraut vor. Auch die Bewegungen dieser Person kannte er. Aber er kam nicht darauf, an wen sie ihn erinnerten.
    Die Wohnung verschwand und wurde durch ein Bild ersetzt, das so klar war, als hätte er das Buch, das er sah, selbst auf dem Schreibtisch liegen gesehen. Oder hatte er das sogar? Vorsicht. Er konnte es jetzt nicht gebrauchen, dass sich seine eigenen Erinnerungen mit denen eines fremden Menschen vermischten. Das konnte Sitzungen beim Therapeuten bedeuten.
    Dann verschwamm alles wieder. Verschiedene Gelbtöne, mit grünlichen Flecken durchsetzt, die als Punkte erschienen und sich wie Tintentropfen in Wasser ausbreiteten und zerliefen.
    Ein Auto tauchte auf, vor einem Haus inmitten eines Alpenpanoramas.Er konnte das Fachwerkmuster des Gebäudes erkennen. Ein Hotel. Jemand trat aus der Eingangstür. Eine lachende Frau ohne Gesicht. Wie konnte eine Frau ohne Gesicht lachen? Sebastian erinnerte sich an die Katze in ›Alice im Wunderland‹, die verschwand, bis nur noch ihr Grinsen zu erkennen war.
    Dann wurde der Hintergrund weiß. Der Horizont änderte sich sehr schnell. Etwas raste vorbei. Bäume? Dann begriff Sebastian, dass die Person, deren Erinnerung er sich ansah, auf Skiern fuhr. Ein Schlag und alles wurde zu einem rasenden Wirbel aus Grün und Weiß. Vielleicht ein Unfall?
    Jetzt sah er eine Gruppe von Menschen. Männer und Frauen, die vor einem großen Gebäude herumstanden und sich unterhielten. Das Haus war grau, der Hintergrund grün, die Ahnung eines Waldes. Ein Institut mit Wissenschaftlern auf einem Kongress? Die Leute kamen näher, oder vielmehr, er näherte sich den Leuten und stellte sich zusammen mit ihnen auf. Jemand stand frontal vor ihnen, einen schwarzen Gegenstand in den Händen. Sebastian begriff: Ein Gruppenfoto. Dann stand mit einem Mal ein Auto mitten auf dem Weg, auf dem sich der Fotograf gerade noch befunden hatte. Hm, keine sehr eindrucksvollen Erinnerungen.
    Wieder wurde alles gelb. Dann schaltete der Computer sich ab. Die zehn Minuten waren vorüber. Bisher hatte es nichts Besonderes zu sehen gegeben, dachte Sebastian. Wieso hatte sein Vater so ein Aufhebens

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