Furor
Leute, die dies sehr wohl glauben.
Ziehen wir noch einen Artikel heraus. Wieder die ›Süddeutsche Zeitung‹, diesmal vom 12. März 2002: R USSISCHE S OLDATEN TERRORISIEREN Z IVILISTEN IN T SCHETSCHENIEN. S YSTEMATISCHE F OLTER UND H INRICHTUNGEN DEUTEN AUF T ODESSCHWADRONE HIN .
Ich denke, das reicht. Sie sehen, für jeden Krieg der letzten Zeit finden wir auch Hinweise, wenn nicht sogar Beweise, für Massaker und Misshandlungen, seien die Opfer nun Zivilisten oder Gefangene. Ich kann Ihnen für jeden Krieg in der Vergangenheit Namen von Orten nennen, die heute für Verbrechen an Zivilisten stehen. Vietnam? Das Dorf My Lai, dessen Bewohner von Angehörigen der US-Armee 1969 massakriert wurden. Gerade aus dem Vietnamkrieg gibt es etliche Augenzeugenberichte über Gräueltaten anZivilisten. Korea? Die Brücke bei No Gun Ri, wo 1950 ebenfalls US-Streitkräfte mehrere hundert Flüchtlinge niedermachten. Über die Massaker, die Deutsche in Russland, Italien, Griechenland während des Zweiten Weltkriegs anrichteten, brauche ich Ihnen ja nichts zu sagen. Auch 1914, während des Ersten Weltkrieges, kam es in Belgien zu den Massakern von Dinant und Aarschot, wo etwa fünftausend Zivilisten, darunter Frauen und Kinder, als angebliche Partisanen ermordet wurden. Und so geht es weiter. Ich habe mich hier auf die westlichen Industrienationen beschränkt. Es gibt natürlich auch unzählige Beispiele aus dem Japanisch-Chinesischen Krieg, aus dem Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien und so weiter.
Massaker an der Zivilbevölkerung, verehrte Damen und Herren, sind immer wieder Bestandteile des Krieges, genauso wie Vergewaltigung. Wer sich dessen nicht bewusst ist, hat keine Ahnung vom Krieg. Ich bin immer wieder erstaunt, was für ein naives Bild viele Politiker von den Kriegen haben, in die sie ihre Soldaten schicken.
Dr. Volker N. (PDS): Herr Professor Leicht, als Mitglied der Partei, die als Einzige im Bundestag geschlossen gegen die Entsendung deutscher Soldaten in den Sudan gestimmt hat, begrüße ich Ihre Ausführungen außerordentlich. Wenn ich Sie richtig verstehe, dann wollen Sie sagen, dass mit einem Massaker an der Zivilbevölkerung zu rechnen war, weil jeder Krieg generell ein Umfeld herstellt, in dem mit einer grundsätzlich höheren Gewaltbereitschaft der Beteiligten zu rechnen ist?
Sachverständiger: Im Prinzip ja. Die meisten Menschen, die an einem Krieg teilnehmen, kommen nicht zwangsläufig in eine Situation, die in einem Massaker endet. Aber es gibt diese Situationen. In jedem Krieg.
Dr. Heidrun F. (CDU): Angenommen, Sie hätten Recht. Hiergeht es aber doch um Mitglieder einer Spezialeinheit, die darauf trainiert wurde, auch unter extremer Belastung die Ruhe zu bewahren. Der Auftrag dieser jungen Männer scheint nicht einmal besonders schwierig gewesen zu sein.
Und doch haben sie, will man den Anschuldigungen glauben, Zivilisten getötet, die eigentlich keine Bedrohung für sie dargestellt haben.
Sachverständiger: Das sieht von außen vielleicht nur so aus.
Doch wenn das Gegenüber plötzlich als reale tödliche Gefahr wahrgenommen wird, dann hilft es vielen Menschen nicht, dass sie auf Beherrschung gedrillt wurden. Einer verliert schließlich die Kontrolle und reißt andere mit. Außerdem müssen wir eine ganze Reihe von psychodynamischen Prozessen berücksichtigen, über die wir bislang noch zu wenig wissen, wenn es um die Ereignisse im Sudan geht. Waren die Soldaten zuvor unter Beschuss? Haben sie Kameraden verloren? Haben sie gesehen, wie Menschen starben, zu denen sie ein enges Verhältnis hatten? Haben sie Schwarze und dazu noch Moslems unbewusst als Bedrohung wahrgenommen? Das ist viel wahrscheinlicher, als Sie sich vermutlich vorstellen. Ich spreche hier nur von einem Gefühl der Bedrohung, das schon ausgelöst werden kann allein durch Fremdheit. Außerdem arbeiten diese Soldaten als Teams, und jeder hat die Verantwortung für das Leben seiner Kameraden. Es bildet sich ein Gruppenzugehörigkeitsgefühl, das seine Stärke auch aus der Abgrenzung gegenüber den »Anderen« gewinnt. Dazu gehören zuerst die erklärten Feinde. Letztendlich sind aber die »Anderen« auch alle Zivilisten, andere Teile der Streitkräfte, Mitglieder von anderen Kommandos, von anderen Zügen, von anderen Trupps.
Dr. Reinhard B. (SPD): Es gibt ja nun einige Dinge, die wir über den Einsatz der beteiligten KSK-Angehörigen wissen.
Der Zug war erst wenige Tage vor dem Einsatz in Gehadiyaim Sudan angekommen. Nach unseren
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