Furor
Informationen gab es vor der Operation keinen Feindkontakt. Port Sudan und das Basislager waren nie Ziel von Angriffen oder Anschlägen. Wir nehmen an, dass die an dem Massaker beteiligten Soldaten zumindest in einigen Punkten nicht im Rahmen einer von ihnen skizzierten Ausgangssituation agiert haben.
Sachverständiger: Entschuldigen Sie. Ich hatte leider nur begrenzt Informationen zur Verfügung. Was ich Ihnen auf dieser Grundlage sagen kann, habe ich Ihnen gesagt.
Dr. Reinhard B. (SPD): Vielen Dank.
25. April, Morgen
Als Sebastian am nächsten Morgen aufwachte, war er froh, dass er keinen Kater hatte. Er setzte einen Kaffee auf, und während er auf seinen Besuch wartete, dachte er an Sareah. War das gestern wirklich passiert? Wie lange schon hatte er keine Frau mehr kennen gelernt? Wann war er zum letzten Mal wirklich glücklich gewesen? Er hätte es nicht sagen können. Er wusste nur, dass er jetzt von etwas erfüllt war, das sich wie ein wärmender Mantel um seine Angst und Traurigkeit legte.
Die Türklingel unterbrach seine Gedanken. Er öffnete und drückte auf den Summer für die Haustür. Dann wartete er darauf, dass der Fahrstuhl sich in Bewegung setzen würde. Stattdessen hörte er sie die Treppe heraufkommen. Sebastian erwartete sie mit heftigem Kribbeln im Bauch an der Tür. Wenn das gestern alles nur ein Spaß gewesen war, dann . . .
Sareah nahm sein Gesicht in ihre Hände und küsste ihn auf den Mund. Sebastian legte ihr erleichtert den Arm um die Hüfte und zog sie rasch in die Wohnung.
Sie sah sich neugierig um. Dann setzte sie sich in einen der Ledersessel, die um den Wohnzimmertisch herumstanden, und schaute aus dem Fenster.
»Ich habe Kaffee aufgesetzt«, erklärte Sebastian. »Ist gleich fertig.«
Sareah sah sich um und entdeckte die Bar, die sich in einem geöffneten großen Fach im Schrank links vor der Fensterfront befand.
»Darf ich?«, fragte sie und stand wieder auf. Sie ging hinüber, füllte ein Glas mit Tullamore Dew und setzte sich wieder. »Willst du da stehen bleiben?«, fragte sie ihn lächelnd. Er ließ sich in den Sessel fallen.
Sie schwiegen eine Weile.
Als Sebastian mit zwei großen Kaffeetassen aus der Kücheins Wohnzimmer zurückkehrte, stand Sareah seitlich vor dem Fenster und blickte konzentriert hinaus, als versuchte sie, in den Scheiben der Nachbarhäuser etwas zu erkennen. Dann ging sie im Zimmer auf und ab, griff nach der Lampe, die von der Decke hing, und ließ ihre Hand oben über die Fassung gleiten. Schließlich setzte sie sich wieder und trank von ihrem Kaffee.
»Also. Du hast mir ja erzählt, dass es bei euch am Institut vor allem um die Speicherung von Erinnerungen geht.«
Sebastian setzte sich neben sie und seufzte. Sie mussten sich jetzt wohl erst mal auf die Arbeit konzentrieren.
»Aber wird bei euch auch daran geforscht, welche Aufgaben verschiedene Bereiche im Gehirn haben und welche Botenstoffe dabei eine Rolle spielen? Dopamin, Serotonin, Substanz P, Glutamat und so weiter?« Sie lächelte, als sie seine Überraschung bemerkte. »Ich habe mich ein wenig schlau gemacht.«
»Soso. Also, einige Arbeitsgruppen sind tatsächlich damit befasst, möglichst genau festzustellen, auf welche Art die einzelnen Hirnbereiche miteinander vernetzt sind. Viele Nervenzellen bilden Gruppen, die alle mit dem gleichen Botenstoff arbeiten. Und sie aktivieren mithilfe dieses Transmitters häufig andere Nervenzellen, die in einem ganz anderen Hirnteil sitzen. Man ist dabei, einen Atlas zu erstellen, aus dem hervorgeht . . .«
»Weißt du eigentlich, wer genau woran arbeitet?«
Die Unterbrechung irritierte Sebastian. Er konnte sich nicht vorstellen, was diese Frage sollte. Trotzdem überlegte er einen Augenblick.
»Grundsätzlich ja. Wie weit die Arbeitsgruppen im Detail sind, weiß ich natürlich nicht. Das verfolge ich nicht ständig. Das meiste erfährt man aus den Vorlesungen und den . . .«
»Gibt es bei euch auch Bereiche, zu denen der Zutritt eingeschränkt ist?«
Wieder brachte sie ihn aus dem Konzept. Worauf wollte sie hinaus? Sebastian nahm einen Schluck Kaffee. »Natürlich«, fuhr er dann fort. »Es gibt Bereiche wie die Tierhaltung, wo nicht jeder rein darf, damit die Tiere nicht gestört werden. Und in die Labors darf auch nicht jeder einfach reinspazieren, das ist doch klar.«
»Okay. Ich werde jetzt mal ganz direkt«, kündigte sie an, wobei sie sich sichtlich bemühte, die Situation mit ihrem Lächeln zu entkrampfen. »Gibt es Bereiche, in denen
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