Furor
seit Jahren daran . . .« Sie klang verbittert. »Glaubst du, dass du zu den Guten oder den Bösen gehörst?«, fragte sie dann, wartete aber die Antwort nicht ab. »Wenn ich dir helfe, dann muss ich ja wohl auch zu den Guten gehören, oder?«
Das, dachte Sebastian, hätte mir Dietz genauso versprechen können. Er blickte auf seine Hände.
»Ich erzähle dir jetzt etwas über die IS/STA«, fuhr Sareah fort. »Diese Abteilung ist vor etwa zwanzig Jahren gebildet worden, und ihre Mitarbeiter wurden vorwiegend aus den Reihen des Bundesnachrichtendienstes und des Militärischen Abschirmdienstes rekrutiert. Ihren gegenwärtigen Namen hat sie noch nicht so lange, sondern erst, seit es opportun ist, jede Aggression mit dem Kampf gegen den Internationalen Terrorismus zu legitimieren. Alles in allem bewegt sich die Arbeit der IS/STA nicht nur am Rande, sondern ein gutes Stück jenseits der Legalität. Lässt sich aber nur schwer nachweisen. Und das ist noch lange nicht alles.« Sie machte eine Pause. Sebastian hörte ein Kratzen. Als er aufschaute, sah er, dass Sareah versuchte,sich mit einem Streichholz eine Zigarette anzuzünden. Ihre Hände zitterten.
»Es gibt schon seit langer Zeit das Gerücht, die Gruppe würde auch psychologische Kriegsführung auf ganz eigene Weise betreiben«, erklärte sie, als die Zigarette brannte. »Sie beschafft Beweise für Gräueltaten irgendeines ungeliebten politischen Machthabers – eines im Westen ungeliebten Machthabers natürlich –, die ihn als ›unmenschlichen Verbrecher‹ entlarven. Damit werden dann Interventionen der Vereinten Nationen gerechtfertigt. Angeblich bringen sie aber diese Beweise nicht nur, sondern sie produzieren sie selbst. Verstehst du?«
Natürlich verstand Sebastian. Aber er konnte es nicht glauben. Sareah nahm einen tiefen Zug und betrachtete dann die Glut an der Spitze ihrer Zigarette. »Diese Leute sind gefährlich«, fuhr sie fort. »Wirklich gefährlich. Und jetzt erzähl mir bitte, worum es bei dieser Sache mit deinem Vater geht.«
Sebastian überlegte. Dann hatte er seine Entscheidung getroffen. Kurzentschlossen erzählte er ihr, was er über die Arbeit seines Vaters herausgefunden hatte. Als er fertig war, pfiff sie durch die Zähne.
»Dachte ich’s mir doch. Kein Wunder, dass die IS/STA-Leute diese Geschichte interessiert. Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie Dietz der Geifer aus dem Mundwinkel läuft, wenn er die Arbeiten bei euch am Institut verfolgt. Stell dir doch mal vor, was denen möglicherweise vorschwebt: Menschen konstruierte Erinnerungen einzupflanzen, oder . . .«
»Das ist doch völlig unrealistisch«, unterbrach Sebastian sie. »Das habe ich dir doch schon erklärt.«
»Ja. Aber ich kann mir auch vorstellen, dass Dietz und seine Leute diesbezüglich mehr Fantasie haben als du.« Sebastian sah zu, wie Sareah an ihrer Zigarette zog und mit ihren braungrünen Augen nachdenklich in die Qualmwolken starrte.
»Vielleicht solltest du besser tun, was dein Vater dir aufgetragenhat«, sagte sie schließlich. Sie machte erneut eine Pause. »Andererseits wären diese CDs natürlich ein vorzeigbares Motiv für den Mord an deinem Vater. Um das zu nutzen, müsste man aber die Forschungsergebnisse publik machen. Nicht auszudenken, welche Lawine du damit auslösen würdest! Die Erinnerung lebender Menschen speichern zu können!«
Sebastian nickte. Als sie weitersprach, klang ihre Stimme kontrolliert: »Bist du dir eigentlich im Klaren darüber, in welcher Gefahr du schwebst?« Sareah nahm seine Hand und streichelte sie sanft. Sebastian schwieg. »Also gut. Die Frage ist jetzt, wie kriegen wir dich aus der Sache heraus. Solange diese Leute glauben, sie bräuchten dich vielleicht noch, um an Informationen heranzukommen, bist du vorläufig in Sicherheit. Wir aber brauchen eine Möglichkeit, um Dietz und Konsorten aus dem Verkehr zu ziehen. Irgendeine Leiche im Keller. Bisher ist das noch niemandem gelungen.«
Sebastian hatte in seinen Kaffee gestarrt. Sareah legte ihre Fingerspitzen unter sein Kinn und hob seinen Kopf, bis er ihren Blick erwiderte.
»Hat irgendjemand im Umfeld eures Instituts mit der IS/STA zu tun?«
Warum fiel Sebastian in diesem Moment Steadman ein? War das Interesse des Amerikaners an der Arbeit seines Vaters nicht etwas zu groß gewesen? Hatte Steadman etwas mit der ganzen Sache zu tun? Sebastian konnte sich das nicht vorstellen – er wollte es nicht glauben. Doch es gab so vieles, was er nicht glauben wollte, aber
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