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Furor

Furor

Titel: Furor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus C. Schulte von Drach
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verstehen. Es folgte ein hysterisches Lachen. Immer mehr weiße Schlieren zogen durch den Nebel, der sich langsam in ein dunkles Rosa verwandelte.
    Wieder rief jemand etwas, das durch den Lärm übertönt wurde. Plötzlich knallte es, und das Weinen verstummte. Wieder hörte er ein Prasseln, der Nebel wurde zerfetzt von flackerndem Rot, Schwarz und Gelb.
    Ein Blitz fuhr durch den Nebel und teilte ihn für den Bruchteil einer Sekunde. Er glaubte, einen Baum gesehen zu haben. Eine Palme, durch deren rissige Blätter schwarze Rauchschwaden zogen. No no no schrie eine Stimme und übertönte alle anderen Geräusche. Sie überschlug sich, wurde zu einem infernalischen Kreischen – und verstummte.
    Es rauschte, als ob er sich die Hände mit aller Kraft auf die Ohrmuscheln drücken würde. Die schwarzen Wolken, die um ihn herumfegten, verfärbten sich langsam, der Hintergrund wurde grün, immer noch durchsetzt von hektisch flackernden gelben und roten Flecken. Halt drauf, halt drauf , hörte er jemanden schreien. Die Stimme war tief und irgendwie heiter, fröhlich. Es passte nicht zu der Szene. Eine Struktur zeichnete sich ab. Senkrechte Linien, die oben in ein zackiges Muster ausliefen. Pfähle, schmale Holzpfähle. Es schien eine Art Pferch zu sein. Im Hintergrund immer noch Grün, Rot, Gelb, ein wahnsinniges, rotierendes Leuchten, das nach oben in Schwarz zerfloss.
    Etwas jaulte wie ein läufiger Kater. Wieder ein Wummern, einmal, zweimal, dreimal, jedesmal gefolgt von einem Zischen und einer Explosion. Er hörte ein trockenes, rhythmisches Tackern, in kurzen Intervallen. Durch die prasselnden Farben sah er jetzt den Zaun, der den Pferch umschloss, deutlicher. Um die Pfähle wuchs kniehohes Gras. Das Gelb und Rot im Hintergrund – das war das Feuer. Ein niedriges, brennendes Haus, in der Mitte ein rotes Loch. Und da stand wieder die Palme. Ihre Blätter verglühten vor einem rauchenden Himmel.
    Glücksgefühle jagten durch seinen Körper.
    Im roten Loch des Hauses erschien undeutlich die Silhouette eines Menschen. Während durch das Prasseln wieder das Tacktacktack zu hören war, fiel sie zurück in das Loch und verschwand. Wieder war eine Explosion zu hören. SeinBlick rotierte jetzt nur noch an den Rändern. Jetzt konnte er Farben und Gegenstände besser zuordnen. Hinter dem Zaun tauchten weitere Umrisse von Menschen auf. Mindestens drei . . . so klein, auf den Boden geduckt, schwarz im Grün des Grases. Kinder. Dann wieder der gelbe Blitz, diesmal direkt vor ihm. Immer wieder schien eine gelbe Flammenzunge aus seinem Bauch herauszuschlagen. Sie zeigte direkt auf die Silhouetten im Gras. Vor ihr sprühten die Zaunpfähle braune Späne in die Luft. Etwas schlug gegen seine Arme und seinen Magen, exakt im Rhythmus der Flamme. Der Rückstoß seiner Waffe. Die kleinen Menschen zuckten und zappelten. Wieder schrie jemand, verzweifelt. Der Boden bebte . . . nach jedem Wummern, nach jeder Explosion glaubte er jetzt die Vibrationen durch die Fußsohlen zu spüren. Das Schwarz im Gras tanzte auf der Stelle. Eine Hütte, ein Türrahmen, ein Mensch. Fremd. Indianisch. Mit einem Poncho bekleidet. Feuerstöße zucken, taumeln, rote Fetzen spritzen auseinander. Dann kein Blitz mehr, kein Schlagen mehr, kein Tanzen mehr. Nur noch das prasselnde Gelb und Rot. Und wieder das fröhliche Lachen. Von den Rändern her jetzt wieder das rote Wasser. Immer mehr Wasser flutet auf ihn zu, schlägt über ihm zusammen, wirbelt um ihn herum, überdeckt das Grün, Gelb, Schwarz, überdeckt das Glücksgefühl. Dann Leere . . . rote Leere. Und unvermittelt schlägt es über ihm zusammen, erfüllt ihn, umhüllt ihn, so dass er sich zusammenkrümmt:
    Scham! Scham! Scham! Scham!
    Sebastian stoppte das Band. Von seiner Stirn rann der Schweiß, kalter Schweiß. Sein ganzer Körper hatte sich verspannt. Vor seinen Augen verschwammen die Konturen der Kabine weiter in Rot, kleine Funken schienen um sein Gesichtsfeld zu kreisen. Schocksyndrom, dachte er, während er in den Unterarmenein taubes Kribbeln spürte. Immerhin konnte er noch denken. Was war das gerade bloß gewesen?
    Er war Zeuge der schrecklichsten Szene gewesen, die er je erlebt hatte – direkt aus dem Gedächtnis seines Vaters. War das vielleicht die verzerrte Erinnerung an einen Kriegsfilm? Hatte sein Vater ein Unglück miterlebt?
    Nein! Das war kein Unfall gewesen, keine Katastrophe, kein Flugzeugabsturz. Die gelben Flammen waren das Mündungsfeuer eines Maschinengewehrs gewesen. Und die

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