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FutureMatic

FutureMatic

Titel: FutureMatic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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das ist lange her.«
    »Na, da bleiben ja bloß noch rund eine Million Kandidaten allein hier in Nordkalifornien übrig.«
    »Die Sache läuft so, Rydell, dass er Sie finden wird. Ich sag Ihnen, wo Sie hingehen und wonach Sie fragen sollen, und irgendwas davon wird dann seine Aufmerksamkeit auf Sie lenken.«
    »Klingt zu einfach.«
    »Seine Aufmerksamkeit erregen wird einfach sein. Hinterher am Leben bleiben nicht.«
    Rydell überlegte. »Also, was soll ich für Sie tun, wenn er mich findet?«
    »Ihm eine Frage stellen.«
    »Und welche?«
    »Weiß ich noch nicht«, gab Laney zu. »Ich arbeite dran.«
    »Laney«, sagte Rydell, »worum geht’s hier eigentlich?«
    »Wenn ich das wüsste«, erwiderte Laney, und auf einmal klang 84
    er sehr müde, »brauchte ich nicht hier zu sein.« Er verstummte.
    Legte auf.
    »Laney?«
    Rydell saß da und lauschte der Toiletten Spülung. Schließlich stand er auf, nahm seinen Beutel vom Haken und verließ die Kabine. Er wusch sich die Hände in einem Rinnsal kalten Wassers, das in ein schwarzes, von gelblicher Industrieseife verkrustetes Marmorimitatbecken lief, und ging wieder ins Lokal zurück. Der Korridor, den er durchquerte, wurde von Kartons verengt, die seiner Ansicht nach Reinigungsmaterial enthielten.
    Er hoffte, dass Creedmore und die Country-Music-Mama ihn vergessen hatten und gegangen waren.
    Nein. Die Frau werkelte nun ebenfalls an einem Teller mit Eiern herum, während Creedmore, das Bier zwischen die Jeans-Schenkel geklemmt, die beiden riesigen, gipsbestäubten Bauarbeiter böse anstierte.
    »He«, sagte Creedmore, als Rydell mit seinem Matchbeutel an ihnen vorbeiging.
    »He, Buell«, sagte Rydell auf dem Weg zum Ausgang.
    »He, wo willst du hin?«
    »Arbeiten«, sagte Rydell.
    »Arbeiten«, hörte er Creedmore sagen, und »Scheiße«, aber dann schwang die Tür hinter ihm zu, und er stand auf der Straße.
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WIEDER DA
    hevette stand neben dem Van und sah zu, wie Tessa Gottes C kleines Spielzeug fliegen ließ. Wie ein Mylar-Muffin oder eine aufgeblähte Münze fing der Kameraträger das wässrige Tageslicht ein, während er wackelnd emporstieg und sich dann in etwa fünf Meter Höhe schwankend ausbalancierte.
    Für Chevette war es ein sehr seltsames Gefühl, hier zu sein und das alles zu sehen: die Panzersperren aus Beton, dahinter die unglaubliche Silhouette der Brücke selbst. Die Stelle auf dem nächsten Kabelturm, wo sie gewohnt hatte, obwohl es jetzt wie ein Traum oder wie das Leben einer anderen war. Dort oben, am höchsten Punkt, hatte sie in einem Sperrholzkabuff geschlafen, während der Wind mit seinen großen Händen dagegendrückte, daran zerrte und sich hineinkrallte, und sie hatte die Sehnen der Brücke im Geheimen ächzen hören, ein Geräusch, das die ver-zwirbelten Stränge hinaufgetragen worden war, so dass nur sie allein es vernahm, Chevette, das Ohr an den anmutigen Delphin-rücken des Kabels gedrückt, der durch das ovale Loch stieg, das dafür in Skinners Sperrholzboden für ihn geschnitten war.
    Jetzt war Skinner tot. Er war gestorben, während sie in Los Angeles gewesen war und versucht hatte, diejenige zu werden, die sie glaubte sein zu wollen. Sie war nicht hergekommen. Die Brückenbewohner hatten es nicht so mit Beerdigungen, und Besitz war hier im Wesentlichen das, was man auch besetzt hielt. Sie war nicht Skinners Tochter, und selbst wenn sie es gewesen wäre und seine Bude hätte behalten wollen, hätte sie dort bleiben müssen, um ihren Besitzanspruch zu wahren. Das hatte sie nicht gewollt.
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    In Los Angeles hatte sie jedoch keine Möglichkeit gehabt, um ihn zu trauern, und jetzt kam alles hoch, es kam alles zurück – die Zeit, die sie mit ihm zusammengelebt hatte. Wie er sie gefunden hatte, so krank, dass sie nicht mal laufen konnte, und sie mit zu sich nach Hause genommen und mit Suppe von den koreani-schen Händlern gesund gepäppelt hatte. Danach hatte er sie in Ruhe gelassen, er hatte nichts von ihr verlangt, sondern sie bei sich akzeptiert, wie man einen Vogel auf einer Fensterbank akzeptiert, bis sie gelernt hatte, in der Stadt Fahrrad zu fahren, und Kurierin geworden war. Und bald hatten sie die Rollen getauscht: Der alte Mann wurde schwächer und brauchte Hilfe, und nun war sie diejenige, die Suppe kaufte, Wasser holte und Kaffee kochte.
    So war es gewesen, bis sie sich den Ärger eingehandelt hatte, der dazu führte, dass sie Rydell kennen lernte.
    »Der Wind wird das Ding wegwehen«, warnte sie Tessa. Diese hatte die

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